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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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rein. Wie beim Arzt. Da drin ist dann nämlich ein Arzt. Der heißt Stabsarzt, das heißt, Sie werden ihn Herr Stabsarzt nennen, wenn Sie ihn ansprechen. Und ich will keine Beschwerden hören, es wird auf dem Flur, auf dem Sie warten werden, keinen Krach geben, keine lauten Unterhaltungen und auch sonst nichts, was Ihnen nicht ausdrücklich erlaubt wurde. Wenn Sie fertig sind, gehen Sie einzeln und selbständig in die Kompanie. Da warten wir dann schon auf Sie. Je früher Sie dran sind, desto früher sind Sie wieder bei uns und desto mehr lernen Sie.« Leutnant Beierlein lächelte gequält. Dann straffte sich seine Körperhaltung, und er brüllte, soweit er zu brüllen vermochte: »3. Zug: Selbständig zum San-Bereich wegtreten!«
    Sie gingen zögerlich und unsicher in den San-Bereich hinein, und dort dirigierte sie ein Sanitätsfeldwebel in einen Flur, in dem sie warten sollten.
    »Hier wird gestanden«, sagte er noch, bevor er ging, »an der Wand, bis Sie aufgerufen werden. Keiner setzt sich auf den Boden, keiner lümmelt mm.«
    Und so war es. Sie lehnten an den Wänden des Flurs und sagten nichts. Nach und nach wurden ihre Namen in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen. Die Zeit wurde lang. Leppert lehnte neben Frank, drehte eine Zigarette, schaute sie von allen Seiten an und steckte sie sich dann in den Mund.
    »Ich geh mal eine rauchen«, sagte er schließlich in seinem breiten russischen Akzent und ging den Flur entlang Richtung Ausgang. Er war erst vor drei Jahren aus Rußland übergesiedelt, aus Sibirien, das hatte er am Abend zuvor erzählt. Frank schaute ihm hinterher und glaubte es kaum. Nach einiger Zeit hörten sie in der Ferne ein Gebrüll, dann kam Leppert zurück und stellte sich wieder neben Frank an die Wand.
    »Was war los?« fragte Frank.
    »Finden die nicht gut«, sagte Leppert. Frank fing an, ihn ein bißchen zu bewundern.
    Irgendwann wurde ein Pionier Lange aufgerufen, und Frank machte sich innerlich bereit, gleich dranzukommen, aber statt dessen riefen sie Leppert hinein, und dann ging es mit dem Buchstaben M weiter. Das machte Frank stutzig. Erst gehen sie ganz offensichtlich nach dem Alphabet vor, dachte er, und dann lassen sie einen aus, das ist nicht gut, dachte er, obwohl, wer weiß, dachte er, man kann nicht wissen, ob das gut oder schlecht ist, es fehlt einem hier ja völlig der Durchblick und damit jedes Urteilsvermögen, dachte er, man weiß zuwenig, man muß abwarten, obwohl, dachte er, man könnte sich auch melden und auf alphabetischer Reihenfolge bestehen, aber mit welchem Recht sollte man das tun, es ist nichts, wo man sich wirklich einmischen sollte, dachte er, nun gut, einerseits ist es langweilig, hier zu warten, man muß stehen, und ich bin müde, dachte er, eigentlich wäre es schon besser, wenn man mit diesem Quatsch bald mal durch wäre, dachte er, andererseits weiß man nicht, was danach kommt, besser wird es schon nicht werden, dachte er, sie halten hier schlimmere Dinge bereit als Langeweile, man muß nach-denken, das ist das einzige, was hilft.
    Und er dachte nach und nach, und als er das Problem vollständig durchdacht hatte, waren sie mit den Namen erst beim Buchstaben P angekommen, und das Ergebnis seines Nachdenkens war auch nur, daß man wohl abwarten müsse, aber als sie beim Buchstaben R waren, war Frank schon völlig fertig mit den Nerven, zermürbt vom Herumstehen und nervös, weil man ihn nicht aufrief, und er haßte sich dafür, daß er nichts unternahm und versuchte sich zugleich einzureden, daß das nicht aus Feigheit so war, sondern weil es vernünftiger sei, nichts zu tun, wenn man nicht durchblickt, und dieser Gedanke mußte ihn noch eine halbe Stunde beschäftigen, bis auch der letzte Rekrut außer ihm verschwunden war und er allein auf dem Flur an der Wand stand. Jetzt ist einem eigentlich die Entscheidung abgenommen, dachte er, jetzt müssen sie mich entweder aufrufen oder ich muß hineingehen, und dann geschah eine Weile lang nichts, niemand war zu sehen, die Tür zum Arzt blieb zu, und Frank erwog ernsthaft, nun aber wirklich ernsthaft, wie er sich einschärfte, an diese Tür zu klopfen, das oder einfach wieder gehen, dachte er, hier stehenzubleiben kann jedenfalls nicht die Lösung sein, anklopfen oder wieder gehen, dachte er, beides kann fatal sein. Warten Sie, bis sie aufgerufen werden, hat der Leutnant gesagt, dachte er, so gesehen könnte ich eigentlich ewig hier stehenbleiben, Befehl ist Befehl. Sie geben uns Befehle, dachte er, aber im

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