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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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Prinzip sind sie unscharf, sie funktionieren nur, wenn alles so läuft wie erwartet, daß etwas schiefgeht, haben sie nicht auf der Rechnung, und dann ist guter Rat teuer, dachte er, und man will sich ja auch nicht gleich am Anfang als Vollidiot profilieren und hier stehenbleiben bis zum Jüngsten Gericht, dachte er, das kann nicht gut sein, das bringt nichts, und so faßte er sich endlich ein Herz und ging zu der Tür, hinter der alle seine Kameraden verschwunden waren, und hob die Hand, um dagegenzuklopfen. In dem Moment ging die Tür auf und ein Soldat schaute ihn an.
    »Was machst du denn hier?« fragte er.
    »Ich glaube, ich brauche eine Einstellungsuntersuchung.«
    Der andere grinste. Er drehte den Kopf zum Inneren des Zimmers hin. »Hier ist einer, der glaubt, daß er eine Einstellungsuntersuchung braucht.«
    Innen wurde gelacht. »Soso, glaubt er«, hörte Frank jemanden sagen. »Na dann, glaube ich, kann er mal reinkommen.«
    Drinnen saß ein Mann, der wohl der Arzt war, aber er trug keinen Kittel, sondern eine Art Ausgehuniform ohne Jacke, Frank blickte bei diesen Sachen noch nicht ganz durch, es war ein Mann von vielleicht fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, er sah für Frank ziemlich jung aus für einen Arzt, und er saß hinter einem Schreibtisch, als Frank hereinkam.
    »Wie heißen Sie denn?« fragte er.
    »Lehmann.«
    »Sie wissen, daß Sie eigentlich Pionier Lehmann sagen sollten, nicht wahr? Bei mir ist das nicht so wichtig, aber Sie sollten das wissen.«
    Frank sagte nichts.
    Der Arzt schaute in einer Liste nach. »Lehmann habe ich nicht. Gehören Sie zur 4. Kompanie?«
    »Ja«, sagte Frank.
    »Eigentlich: Jawohl, Herr Stabsarzt. Aber mir ist das ja egal. 3. Zug?«
    »Ja.«
    »Seltsam. Gucken Sie mal, ob seine G-Karte irgendwo ist«, sagte der Arzt zu seinem Gehilfen. Der ging aufreizend langsam und lässig zu einem Karteischrank und fummelte darin herum.
    »Gibt’s nicht«, sagte er nach einer Weile.
    »Gibt’s nicht, na sowas«, sagte der Arzt und lächelte Frank an. »Sie gibt’s gar nicht, wußten Sie das?«
    Frank sagte nichts.
    »Sie gibt’s gar nicht«, wiederholte der Arzt. »Ohne G-Karte kann ich Sie nicht untersuchen.«
    »Was heißt das?« fragte Frank.
    »Was heißt das? Eigentlich heißt das: Was heißt das, Herr Stabsarzt. Mir ist das ja egal, aber Sie werden hier Leuten begegnen, denen das wichtig ist. Ansonsten: keine Ahnung. Keine G-Karte, keine Einstellungsuntersuchung«, sagte der Arzt. »Kann ich nicht machen. Sie gibt’s gar nicht.« Er lachte, und sein Assistent lachte mit.
    »Und jetzt?« fragte Frank. Der Mann ging ihm auf die Nerven.
    »Jetzt gehen Sie in Ihre Kompanie zurück und sagen denen, daß Ihre G-Karte nicht da ist. Dann müssen die entscheiden, was zu tun ist, da müssen die sich drum kümmern, was weiß ich denn«, sagte der Arzt, »ohne G-Karte geht hier jedenfalls gar nichts.«
    »Na gut«, sagte Frank, »dann geh ich mal.«
    »Ja, gehen Sie mal. Und Sie brauchen sich auch nicht abzumelden. Abmelden sowieso nicht im Sportzeug. Und nicht bei mir. Mir ist das ja egal. Aber Sie sollten an Ihrer Sprache arbeiten, guter Mann. Es gibt hier Leute, die mögen das nicht, wenn man so redet wie Sie.«
    »Schon klar«, sagte Frank.
    Der Arzt seufzte. »Schon klar, Herr Stabsarzt, es heißt: Schon klar, Herr Stabsarzt. Wie gesagt, mir ist das egal, aber … « Er machte eine kurze Pause und seufzte. »Nun gehen Sie, gehen Sie lieber schnell weg, das deprimiert mich alles irgendwie.«
    »Auf Wiedersehen«, sagte Frank und ging zur Tür.
    »Hat er auf Wiedersehen gesagt?« hörte er den Stabsarzt sagen, als er die Tür öffnete.
    »Er hat auf Wiedersehen gesagt«, hörte er den Assistenten sagen, als er die Tür schloß. Er hörte sie durch die geschlossene Tür noch lachen. Lustige Vögel, dachte Frank grimmig, als er den Flur des San-Bereichs entlang zum Ausgang ging, große Witzbolde, sind hier zu Hause, fühlen sich wohl, dachte er. Der Tag hat kaum angefangen, dachte er, und schon ist alles schiefgelaufen.
    Dann war er im Freien, und plötzlich änderte sich seine Laune. Es war heiß draußen, die Sonne brannte herunter, es war wirklich ein herrlicher Tag, gerade so, wie der Kompaniechef gesagt hatte, und Frank glaubte ein paar Vögel zwitschern zu hören. Um den San-Bereich herum standen schöne, leuchtend grüne Bäume und raschelten im sanften Sommerwind, und nur in der Ferne, wo es einem egal sein konnte, standen einige Soldaten herum und machten irgend etwas

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