Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Er schaute bloß einmal kurz zu Fahnenjunker Heitmann und GUA Pilz hinüber. »Ist angekommen, Lehmann«, sagte er dann lächelnd, »ist angekommen. Ihre G-Karte ist nicht da. Ich muß gleich weinen.«
»Aber die können keine Einstellungsuntersuchung machen«, beteuerte Frank. »Ich soll das hier sagen.«
Fahnenjunker Tietz lachte. »Ist angekommen, Lehmann. Wir sind ja nicht blöd. Aber machen Sie sich keine Sorgen: Ich stell Sie einfach ein.« Er lachte, und Heitmann und Pilz lachten mit. »Persönlich, Lehmann, persönlich. Ich stell Sie einfach ein. Persönlich. Und wenn Sie nicht in fünf Minuten Ihren Arbeitsanzug angezogen haben, so wie Ihre Kameraden auch, dann zeig ich Ihnen auch persönlich, wie hier der Knast von innen aussieht.«
Tietz lachte wieder, und Fahnenjunker Heitmann und GUA Pilz lachten wieder mit. Frank ging in seine Stube, schloß seinen Spind auf und zog sich das grüne Zeug an. Seine Kameraden starrten derweil weiter auf den Fußboden, wie um zu kontrollieren, ob ihre Fußspitzen auch wirklich an der zweiten Fuge der Steinplatten waren.
5. MANNSCHAFTSHEIM
Und so mußte Frank weiterdienen. Vor dem Mittagessen machten sie im Grünzeug Formalausbildung, übten auf einem großen, asphaltierten Platz Grundstellung, Rührt euch, Grüßen, Links um, Rechts um, Marschieren, Anhalten, erst gruppenweise, dann als ganzer Zug, dann marschierten sie zum Mittagessen, und am Nachmittag marschierten sie ins Gelände und lernten, sich zu tarnen und sich hinzuwerfen, was >Deckung< hieß, und dann lernten sie, auf den Befehl >Sprung auf, marsch marsch! < wieder aufzuspringen, nur um danach wieder in Deckung zu gehen, »Stellung gibt’s erst mit Gewehr«, sagte Fahnenjunker Tietz, eine rätselhafte Bemerkung, wie Frank fand, und so ging das stundenlang, Deckung!, Sprung auf, marsch marsch!, Deckung!, es nahm und nahm einfach kein Ende. Ihre Gesichter hatten sie sich mit einem angekokelten Korken geschwärzt, und in ihre Koppel, Taschen, in die Stiefel und unter die Tarnnetze ihrer Helme hatten sie Blumen, Zweige und Gräser gesteckt, es sah grotesk aus, aber zum Lachen hatte niemand Zeit und niemand Lust. Irgendwann machte Fahnenjunker Tietz eine Rauchpause für alle, und weil Frank sonst nichts zu tun hatte, drehte er sich, obwohl er eigentlich nicht rauchte, von Lepperts Tabak eine Zigarette und rauchte sie, wovon ihm schwindelig wurde und er das Gefühl hatte, kotzen zu müssen. Aber da ging es auch schon weiter, Fahnenjunker Tietz zeigte ihnen, wie man mit dem Klappspaten eine Schützenmulde grub und wie man sich in sie hineinlegte, und dann machten sie wieder eine Zeitlang Deckung und Sprung auf, marsch marsch, und irgendwann marschierten sie zurück zum Kompaniegebäude, wo sie duschen durften, um dann wieder vor dem Kompaniegebäude anzutreten.
Und dann passierte etwas Seltsames: Man ließ sie frei. An ihrem ersten Abend hatten sie auch zum Abendessen marschieren müssen, und nach dem Abendessen bis zum Schlafengehen um 22 Uhr hatten sie Vorträge gehört und das An-und Ausziehen der verschiedenen Uniformversionen geübt, aber »Jetzt«, sagte der Spieß, als sie angetreten waren, »jetzt gefallt ihr mir schon viel besser, Männer, da kann man euch vielleicht auch mal was Gutes gönnen.«
Er machte eine Kunstpause.
»Wo die Kantine ist, Männer, das wißt ihr ja. Und Essenmarken habt ihr auch bekommen. Jetzt lernen wir mal, etwas selbständig zu machen: Ihr tretet gleich weg zum Abendessen, und danach habt ihr frei.« Er machte eine Kunstpause und schaute sie erwartungsvoll an, so als wollte er Beifall haben. »Aber zum Zapfenstreich um zehn sind alle wieder hier«, fuhr er fort, »und dann geht das wie immer, alle in die Betten und Meldung beim UvD durch den Stubenältesten, und Hände über der Bettdecke, Männer.« Er lachte, und die Ausbilder lachten mit. Der Spieß verschluckte sich dabei und mußte husten. Feldwebel Meyer, der neben ihm stand, klopfte ihm auf den Rücken.
»Noch Fragen?« sagte der Spieß, nachdem er sich ausgehustet hatte. »Keine Fragen, gut. Und achtet immer auf eure Essenmarken, Männer, die Essenmarken und das Gewehrreinigungszeug müssen immer am Mann sein.« Er machte eine kleine nachdenkliche Pause. »Ach so«, sagte er dann, »Gewehrreinigungszeug habt ihr ja noch nicht, das kommt noch, kein Gewehr, kein Gewehrreinigungszeug, naja, Männer« — er redet gerne, dachte Frank, und er fragte sich, an wen ihn der Spieß die ganze Zeit erinnerte -, »vor euch liegt
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