Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
gleichzeitig, wie ein Mann, wenn das alle gleichzeitig machen, dann kann nichts passieren, dann kriegt keiner einen Tritt in die Hacken, und wenn einer einen Tritt in die Hacken kriegt, dann liegt das daan, daß er gepennt hat, und wenn einer gepennt hat, dann hat er einen Tritt in die Hacken verdient. Alles klar? Na dann … 3. Zug: Marsch!«
Alle, auch Frank, traten irgendwie, irgendwann und vor allem sehr zögerlich mit dem linken Fuß vor, und was darauf folgte, war ein heilloses Gestolper, einige fluchten, weil sie von eifrigen Kameraden einen Tritt in den Hacken bekommen hatten, andere stolperten, weil sie jemanden getreten hatten, manche schafften auch beides, treten und getreten werden, und manche trippelten mit so kleinen Schritten umher, daß ihnen nichts passierte, und Frank versuchte, während er den Schmerz bekämpfte, der daher rührte, daß er nicht bereit gewesen war, Hoppe, der vor ihm nicht losgegangen war, zu treten, was ihm seinerseits von hinten einen Tritt eingebracht hatte, das Problem theoretisch zu erfassen, und er mußte zugeben, daß die Sache von der Idee her in Ordnung ging, bloß praktisch nicht ganz einfach war: Es ist so, dachte er, wie wenn man von Autofahrern vor einer roten Ampel verlangen würde, daß sie bei Grün alle gleichzeitig losfahren, aber tatsächlich, dachte er, geht es immer erst vorne los, während hinten noch alles steht, und genau so war es hier auch, während es vorne langsam losging, stauchte sich der Zug hinten zusammen und zog sich erst stolpernd wieder auseinander, als Feldwebel Meyer schon brüllte, daß sie wieder anhalten sollten, denn er wollte es noch einmal üben.
Sie übten es dreimal und es wurde nicht besser, und schließlich ließ man sie einfach weitermarschieren, denn sie waren auf dem Weg zum San-Bereich, um ihre Einstellungsuntersuchung zu bekommen. Bis zum San-Bereich waren es nur ungefähr zweihundert Meter über das Kasernengelände, aber natürlich, dachte Frank, muß marschiert werden, er hatte sich schon fast daran gewöhnt, daß überhaupt immer marschiert wurde, sogar zum Frühstück mußten sie marschieren, während alle anderen Soldaten selbständig in der Kantine eintrudelten. »Das sind die anderen, das sind schon richtige Soldaten«, hatte Tietz gesagt, als Hartmann ihn darauf angesprochen hatte, Hartmann war der Stubenälteste, er war noch älter als Frank, und es sah so aus, als ob die Fahnenjunker wenigstens vor ihm ein bißchen Respekt hatten, er wurde jedenfalls weniger als die anderen angebrüllt, Hartmann ist schon dreiundzwanzig, dachte Frank jetzt, als er zwischen den anderen marschierte, wahrscheinlich ist er drei Jahre älter als die Fahnenjunker, das gibt sogar denen zu denken, dachte er, und dann stolperte Hoppe, und Frank trat ihm doch noch in die Hacken.
»Achtzig Zentimeter Abstand zum Vordermann! Neunundsiebzig ist schwul, einundachtzig ist Fahnenflucht«, brüllte Fahnenjunker Tietz währenddessen fröhlich, und der Zugführer, Leutnant Beierlein, rief immer mal wieder »links« oder »links, zwo«, ohne sich dabei weiter zu echauffieren. Dann waren sie auch schon vor dem San-Be-reich, und beim Anhaltebefehl gab es die gleiche Stolperei wie beim Losmarschieren, und Feldwebel Meyer brüllte, daß er sie alle zu Klump hauen werde, Feldwebel Meyer war überhaupt ziemlich cholerisch, soviel hatte Frank schon gemerkt, obwohl er sich auch jetzt wieder fragte, ob das mit dem Zuklumphauen nicht auch in dieser so ganz anderen Welt etwas zu weit ging. Die rechtliche Lage läßt das natürlich nicht zu, dachte er, er hatte am Abend zuvor, bei dem theoretischen Einführungsvortrag in die Rechte und Pflichten des Soldaten, genau aufgepaßt, außerdem war ja klar, daß man heutzutage nicht mehr geprügelt wurde in der Armee, das machen die schon lange nicht mehr, dachte er nun wieder, wie um sich selbst in diesem Gedanken zu bestärken, aber dieses theoretische Wissen machte das Gefühl der Bedrohung, das von Feldwebel Meyer ausging, nicht geringer. Man wird abwarten müssen, dachte er, erst mal sehen, wie das hier so läuft.
Inzwischen hatte sich Leutnant Beierlein zu einer kleinen Ansprache aufgestellt.
»Sie gehen jetzt da rein«, sagte er. Leutnant Beierlein sprach seltsam ruhig und freundlich, er war stimmlich eine angenehme Abwechslung zu den Fahnenjunkern und zu Feldwebel Meyer, und Frank hatte oft das Problem, ihn schlecht zu verstehen. »Sie werden auf dem Gang warten, bis Sie aufgerufen werden, und dann gehen Sie
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