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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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drehte sich um und sah den Osterdeich in die andere Richtung hinunter, und von dort kam jetzt ein Trupp Polizisten mit Schilden, Helmen und gezogenen Knüppeln herbeigelaufen.
    Dann ertönte ein Gejohle, und hinter der anderen Seite des Buswracks kamen die Demonstranten hervorgestürmt. Sie liefen an Frank und seinen Kameraden vorbei, ohne sie zu beachten. Etwa zehn Meter weiter hielten sie an und warfen Steine, die sie aus ihren Jackentaschen holten oder auch vom Asphalt wieder aufklaubten.
    »Ihr verdammten Schweine«, schrie Ludwig. Er war ein kleiner dicker Mann, und Frank hätte ihm die Geschwindigkeit nicht zugetraut, mit der er jetzt aufsprang, seinen Helm vom Kopf nahm und helmschwingend die Demonstranten von hinten angriff. Die merkten davon nichts, bis Ludwig in einen großen Kerl in schwarzem Leder hineinkrachte, ihn dabei umwarf und mit seinem Helm auf ihn einschlug. Dann stürzten sich die anderen Steinewerfer auf ihn.
    »Scheiße«, rief Frank und lief, ohne lang zu überlegen, hinterher, seinen eigenen Stahlhelm vom Kopf reißend und in der Faust schwingend. Neben sich sah er Baumann dasselbe tun, und hinter ihm erhob sich ein Gebrüll, und als er in den Haufen Leute hineinstürzte und mit seinem Stahlhelm in der Hand auf den Motorradhelm eines Mannes haute, der wiederum den mittlerweile am Boden liegenden Ludwig mit schweren Stiefeln in die Seite trat, kam von hinten der Rest der Kameraden und warf sich obendrauf. Es ergab sich ein allgemeines, großes Handgemenge und Gewühle, Frank wurde umgerissen, und andere Leute fielen über ihn drüber, Freund und Feind gleichermaßen, es war jetzt nur noch ein großes, unentwirrbares Knäuel von Leibern und Gliedmaßen, und während er dort ganz unten lag und sich gar nicht mehr rühren konnte, schoß es Frank kurz durch den Kopf, daß ihn das an die Zeit erinnerte, als sie sich bei Hochzeiten in der Kirche in der Adam-Stegerwald-Straße als Kinder immer um die ihnen zugeworfenen Bonbons gebalgt hatten, und er fragte sich einen friedlichen Wimpernschlag lang, ob dieser Brauch, Bonbons unter die fremden, zuschauenden Kinder am Wendeplatz der Adam-Stegerwald-Straße zu werfen, wohl immer noch gepflegt wurde, er nahm sich sogar vor, seine Mutter bei Gelegenheit mal zu fragen, vielleicht wußte sie Näheres darüber, bis ihm klar wurde, daß das in seiner augenblicklichen Lage ein ziemlich abwegiger Gedanke war, aber andererseits, dachte er, was soll man denn machen, wenn man ganz unten liegt und sich sowieso nicht bewegen kann?
    Dann rief irgend jemand »Die Bullen«, und es kam wieder Bewegung in die Sache, Frank hörte Schmerzensschreie, und um ihn herum begann der Menschenhaufen panisch zu zappeln und sich aufzulösen, er kam mühsam hoch und bekam einen Schlag mit einem Knüppel an die Schulter. Er schrie auf und schubste um sich herum Leute weg, die auch alle prompt davonliefen, die Demonstranten wie die Polizisten, und noch bevor er sich darüber wundern konnte, sah er, daß nur der Hauptgefreite Ludwig noch da war. Er stand bei einem Demonstranten, der ohne Helm auf dem Boden lag und sich krümmte, während Ludwig mit seinen Stiefeln auf ihn eintrat.
    »Du verdammte Sau, du verdammte Sau«, schrie er dabei.
    Frank sah, daß der Mann schon ziemlich blutete, am Kopf und auch aus Mund und Nase, wie es schien, das sah sehr schlimm aus. Er ging zu Ludwig und packte ihn am Arm und versuchte, ihn von dem Mann wegzuzerren.
    »Hör auf, Ludwig«, rief er, »hör auf, was soll denn der Scheiß!«
    »Laß mich los, du Arschloch«, sagte Ludwig und schlug mit der Faust nach Frank. Die Faust traf ihn am Ohr, und einen Moment lang dröhnte es in Franks Kopf, dann fing er sich und sah rot. Er packte Ludwig, der sich inzwischen, als ob nichts gewesen wäre, wieder dem Demonstranten widmete, von hinten um den Hals, stellte ein Bein vor und riß ihn zu Boden. Dann haute er ihm mit aller Kraft mehrmals auf die Nase. Ludwig schrie auf, und Blut schoß aus seiner Nase hervor, er zappelte auf dem Rücken liegend mit Armen und Beinen, und Frank ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Ludwig sprang auf und hielt sich die Hände vor das blutverschmierte Gesicht. Auch Franks Hände waren voller Blut, wie er feststellte, als er jetzt da draufguckte, es ist immer dasselbe, dachte er, genau dieselbe Scheiße wie mit Horst. Wenigstens sah es nicht so aus, als wollte Ludwig weitermachen, er stand da und hielt sich die Hände vor die Nase und schnappte nach Luft und weinte und rief

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