Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Sibille, in den sie sich neulich wieder verliebt hat, ja?«
»Genau.«
»Hm …«, sagte Frank, der darüber erst einmal nachdenken mußte.
»Alles klar, Frankie?«
»Ja. Ich geh gleich. Aber eine Frage noch: Hast du eine neue Mini-Schnapsflaschen-Sammlung angefangen?«
»Die war nicht von mir.«
»Und die Mandrax?«
»Die auch nicht. Die hatte ein Genosse bei sich gefunden und wußte nicht, was er damit machen sollte.«
»Hä?«
»Ja, tut mir leid, ich weiß, das klingt blöd, aber so war das.«
»Ah ja«, sagte Frank, »ich hatte mich schon gewundert … Naja, ein bißchen jedenfalls.«
Es gab weiter nichts zu sagen, und es war auch nicht interessant, dachte Frank, nicht das mit Sibille und das mit der Mini-Schnapsflaschen-Sammlung schon gar nicht, das ist jetzt beides vorbei, dachte er, auf jeden Fall das mit den MiniSchnapsflaschen, fast, dachte er.
»Hier«, sagte er, und zog die Kümmerling-Flasche aus seiner Jacke. »Die ist davon noch übrig. Willst du sie wiederhaben?«
»Ist irgendwas mit dir?« sagte Achim, und es klang fast ein bißchen besorgt, wie er das fragte. Trotzdem nahm er die Flasche sofort an sich.
»Wieso?«
»Du machst irgendwie so einen komischen Eindruck, so ein bißchen, ich weiß auch nicht, komisch irgendwie.«
»Nein, ist alles in Ordnung. Grüß mal Sibille schön. Ich muß dann mal weiter.«
»Alles klar. Und grüß mal Martin und Ralf von mir.«
»Mach ich«, sagte Frank und lachte. »Mach ich, wenn ich sie sehe.«
»Bist du sicher, daß mit dir alles in Ordnung ist? Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«
»Da bin ich draufgefallen.«
»Ach Quatsch.«
»Doch, bin ich draufgefallen.«
»Niemand fällt aufsein Gesicht. Da müßte man ja keine Arme haben, wenn man direkt aufsein Gesicht fällt.«
»Ja«, sagte Frank. »Oder sowas Ähnliches … «
»Kann ich irgendwas für dich tun? Willst du vielleicht reinkommen?«
»Nein danke, ich muß weiter, vielen Dank, Achim, und mach’s dann mal gut, ich meine, in der Zukunft und so.«
»Klar doch, Frankie.«
»Und grüß Sibille schön.«
»Klar doch, Frankie.«
Dann ging Frank endlich. Das sind nicht die Unterhaltungen, die einem den Abschied schwermachen, dachte er, als er die Treppe hinunterging. Er wußte nicht genau, was er sich von seinem Besuch bei Sibille versprochen hatte, aber irgendwie war es ihm gerade recht so.
Als er in die Vahr kam, parkte er erst einmal bei der Berliner Freiheit und rief bei seinen Eltern an, er wollte nicht zu ihrer Wohnung gehen und von Frau Koopmann oder sonstwem dabei gesehen werden, wie er klingelte und keiner aufmachte. Und tatsächlich war noch keiner zu Hause, es war ungefähr halb eins, seine Mutter mußte, wenn alles mit rechten Dingen zuging, jeden Moment kommen, also entschloß er sich, einfach noch ein bißchen durch die Berliner
Freiheit zu bummeln, wer weiß, wann man die mal wiedersieht, dachte er, und außerdem mußte er noch sein letztes Geld vom Sparbuch abheben, es war ein Postsparbuch, und so ging er quer durch die Berliner Freiheit zur Post, stellte sich dort in eine Schlange und wartete, bis er dran war.
»Alles«, sagte er zu der Frau hinter der Panzerglasscheibe und reichte ihr sein Sparbuch und die Sicherungsmarke darunter durch.
»Wieviel?«
»Alles.«
»Aha …« Die Frau schaute skeptisch in sein Sparbuch. »Vierhundertdreiundzwanzig. Aber wenn Sie das auflösen, dann kostet das fünf Mark Gebühr, lassen Sie doch einfach eine Mark drauf, dann haben Sie mehr davon.«
»Nein, ich will das auflösen.«
»Aber das ist doch ein schlechtes Geschäft!«
»Das macht nichts«, sagte Frank, »das macht überhaupt nichts. Da hab ich mich dran gewöhnt.«
Die Frau schaute ihn skeptisch an, dann auf sein Sparbuch, dann auf die Sicherungskarte, dann wieder auf ihn, und schließlich sagte sie: »Dann muß ich auch noch Ihren Ausweis sehen.«
Frank schob ihr seinen Personalausweis hinüber, und sie prüfte lange und ausgiebig sein Gesicht und das Foto in dem Ausweis, schaute hin und her und her und hin, bis Frank das etwas zu dumm wurde und er sagte: »Entweder rücken Sie jetzt das Geld raus oder Sie rufen die Polizei, da müssen Sie sich schon entscheiden.«
Die Frau sagte nichts, begann aber endlich etwas in das Sparbuch zu schreiben, dann stempelte sie ausgiebig darin herum, holte noch ein Formular, das sie ausfüllte und das Frank unterschreiben mußte, nahm schließlich einen Locher, mit dem sie zwei Löcher in das Sparbuch stanzte, gab es ihm
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