Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Regen stapfte, gerade wenn man den Kriegsdienst verweigern will, sollte man Frieden schließen können, sonst bringt das nichts. Kann ja sein, dachte er, als er am Sielwall daraufwarten mußte, daß die Ampel umsprang, daß Birgit nicht zur Soldatenbraut taugt, dachte er, aber noch mehr tauge ich nicht zum Soldaten, das ist ja sowieso alles bloß ein Irrtum, dachte er, und da muß man auch mal mit einem wie Ralf Müller seinen Frieden machen, vorausgesetzt, das bringt auch was, dachte er einschränkend, dann kann man die alten Sachen auch mal vergessen und ein neues Kapitel in den zwischenmenschlichen Beziehungen aufschlagen.
Solcherart darauf eingestimmt, alles zum Besten zu wenden, sprang er die Treppen hoch zu seiner Wohnung, sofern es überhaupt seine Wohnung war, er war sich da nicht ganz sicher, denn das Licht im Treppenhaus funktionierte nicht, und als er unter der Fußmatte nach der Zange tastete, die Martin Klapp zufolge als neuer Wohnungsschlüssel dort versteckt sein sollte, war sie nicht da, das machte ihn stutzig. Er lauschte an der Tür, und tatsächlich, da waren Stimmen, und die Tür, kam ihm auch im Dunkeln bekannt vor, die Abdeckung des Türschlosses war jedenfalls weg, alles war bereit für die Zange, nur die Zange war nicht da, und Frank überlegte noch einmal, ob er wirklich zwei Stockwerke hochgegangen war, es war immerhin ziemlich zappendüster im Treppenhaus, aber dann dachte er, was soll’s, wird schon stimmen, und klopfte an die Tür, erst leise, dann immer lauter, denn außer daß die Stimmen dahinter verstummten, passierte erst einmal gar nichts.
»Wer ist da?« hörte er schließlich eine Stimme hinter der Tür, und er glaubte, sie als die von Martin Klapp zu erkennen.
»Ich«, rief er.
»Wer?«
»Frank.«
Martin Klapp öffnete die Tür. »Dann ist ja gut«, sagte er und bedeutete ihm hereinzukommen. Er ging ihm voran in Franks Zimmer, wo auch Wolli und Ralf Müller auf dem
Fußboden hockten.
»Ist nur Frankie«, sagte Martin Klapp und warf sich auf Franks Matratze.
In der Mitte des Zimmers stand ein großer runder Stahlzylinder, der oben offen war. Darin war eine braune Brühe, die nach Cola roch, und am Rand hing eine Suppenkelle. Ralf, Wolli und Martin hatten jeder ein großes Bierglas vor sich stehen, das mit ebendieser braunen Brühe gefüllt war.
»Ich dachte schon, es wäre Achim«, sagte Martin Klapp, »oder sonst einer. Kannst die Flasche wieder rausholen, Wolli.«
Wolli ging zur Teekiste und zog eine Flasche Wodka hervor.
»Ist von Achim«, sagte er und kicherte.
»Und was ist das?« fragte Frank entgeistert und zeigte auf den Stahlzylinder.
»Da ist Cola drin«, sagte Martin Klapp, »das haben wir vorhin unten gefunden, das stand da im Treppenhaus rum. Wohl vom Kino. Wolli hat das hochgeschleppt.«
»War ganz schön schwer«, sagte Wolli. »Auch das Ding aufzukriegen und so, da mußte man das da oben um den Rand herum …« Er wedelte mit der Hand und gab es auf, das weiter zu erklären.
Ralf Müller nahm die Kelle und schöpfte sich Cola in sein Glas.
»Die sprudelt ja gar nicht«, sagte Frank.
»Ja, das ist der Nachteil«, sagte Martin Klapp. »Keine Ahnung, wieso. Vielleicht kommt das Gesprudelzeug extra oder was, keine Ahnung.«
Ralf Müller hielt derweil sein Glas wortlos Wolli hin, der ihm Wodka hinzugoß.
»Der Wodka ist von Achim«, sagte Martin Klapp, »der ist sozusagen beschlagnahmt, das muß man sich mal vorstellen, der hat Wodka in seinem Zimmer gehabt, ich glaube, der ist Alkoholiker.« »Ach Quatsch«, sagte Frank.
»Hast du eine Ahnung! Wir haben sogar zwei leere Flaschen gefunden, was sagst du jetzt?«
»Hast du sein Zimmer durchsucht?«
»Ja klar, das mußte doch sein. Ich meine, der ist Alkoholiker, was meinst du, was so einer für Ärger machen kann. Wenn einer leere Flaschen versteckt, dann ist der Alkoholiker, das kannst du überall lesen.«
Frank setzte sich neben Martin auf seine Matratze und merkte plötzlich wieder, wie müde er war.
»Was habt ihr denn auf einmal alle gegen Achim?« fragte er.
»Der ist nie da«, sagte Martin Klapp, »seit der in der Bezirksleitung ist, ist der nie da, und der macht auch nichts in der Wohnung, guck dir nur mal an, wie das hier noch aussieht!«
»Aber wir machen doch auch nichts.«
»Darum geht es nicht, und wir haben immerhin die Tapete im Flur geklebt.«
»Eine Bahn«, sagte Frank. »Genau eine Bahn haben wir verklebt.«
Ralf Müller kicherte. »Sieht irgendwie aus wie ne
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