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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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Tochter«, sagte er.
    Vater, komm.
    Josh ging weiter nach Norden, wurde von Jasmine erneut aufgehalten.
    »Du kannst dort nicht hingehen«, sagte sie.
    Vater, komm.
    »Ich muss«, erwiderte er. Seine Stimme klang scharf.
    »Dann begleiten wir dich«, sagte Beauty.
    »Ich muss allein gehen«, erklärte Josh.
    »Wir lassen dich nicht«, widersprach Jasmine halblaut.
    Vater, komm.
    »Es gibt keinen anderen Weg«, antwortete er leise. Er wandte sich an die Umstehenden, die ihn stumm anstarrten, und rief laut: »Ich gehe jetzt zur Festung. Allein. Ihr wartet hier alle auf mich.«
    Es wurde totenstill. Sogar der Frühlingswind in den Bäumen erstarb. Hier sprach der Schlangengott. Der Jäger. Der große Schreiber und Freund. Kaum wagte man zu atmen.
    Josh nahm sanft Jasmines Hand von seiner Schulter. Sie trat zögernd auf die Seite.
    Vater, komm.
    Mit pochendem Herzen ging Josh allein auf die Stadt ohne Namen zu.
    Der Sturm nahte.
     
    Er brauchte über eine Stunde, um das Haupttor zu erreichen, aber schon lange vorher konnte er erkennen, dass Seltsames im Gange war.
    Zuerst die Großen Weißvögel. Schwärme zogen über ihm dahin, tief, nach Norden fliegend. Ihre Flügelspannweite betrug zehn Meter, sie hatten riesige, schuppenbedeckte Krallen und Schädel wie Albatrosse. Sogar einzeln waren sie so weit im Norden nur selten zu sehen, in Schwärmen nie.
    Da war der Himmel, der Minuten zuvor funkelnd hell gewesen war und jetzt violette Schwärze zeigte.
    Als er sich der Stadt näherte, tauchten die Kolonnen von Neurowesen auf, die nach Norden oder Osten davonzogen. Und die Schwärme von Vampiren, die zu den Haupttoren hinausflatterten und davonflogen, hinaus über das Meer, kreischend in einer Kakophonie schrillster Töne.
    Und natürlich die Stimme in seinem Schädel.
    Vater, komm.
    Er ging durch das Tor der Äußeren Stadt, vorbei an den hinausströmenden Bürgern, ohne dass ihn irgend jemand beachtet hätte.
    Im Inneren der Stadt herrschte Chaos.
    Scharenweise liefen Vampire und Neuromenschen durcheinander, schreiend und rufend. Es wimmelte wie in einem Ameisenhaufen. Auch Menschen waren auf den Straßen, eilten ziellos herum und klagten. Vereinzelte Passanten wurden von Rudeln niedergetrampelt oder schreiend in Häuser gezogen.
    Vater, komm.
    An manchen Stellen der Festung stieg schwarzer Rauch auf. Josh überquerte eine Brücke und betrat die Innenstadt. Hier war alles still und sogar verlassen. Es war unheimlich, wie in einer Traumlandschaft, ohne Farbe, ohne Bewegung. Irgendwo schrie ein Tier. Josh betrat die Festung.
    Vater, komm.
    Auch in der Festung herrschte Aufruhr. Rauch und der beizende Geruch von chemischen Feuern erfüllten die Luft. Verschwommen erkennbare Wesen flatterten oder krochen durch die Korridore – schleppten Gegenstände, kämpften, rangen nach Luft, wanden sich in Ecken. Ferne Explosionen erschütterten die Mauern. Josh ging unbeirrt weiter, schien seinen genauen Weg zu kennen.
    Vater, komm. Vater, komm.
    Einmal versperrte ihm eine Flammenwand den Weg zu einem Treppenhaus. Ohne zu zögern, kehrte er um und fand einen besseren Weg.
    Vater, komm.
    Die Treppe hinauf, durch brennende Zimmer, über eingestürzte Mauern hinweg. Er bewegte sich wie im Traum. Schließlich in einen Saal hinein, den er wieder erkannte: das Laboratorium. Zerbrochene Gläser am Boden, Dampf, der aus einem defekten Ventil entwich. Er bahnte sich vorsichtig einen Weg in den nächsten Raum: ›Vereinigung‹. Reihen von Menschen, angeschlossen. Alle tot. Brustkörbe, die sich nicht mehr bewegten, die Gesichter grau, fleckig, die letzte Maske.
    Josh betrachtete sie nicht lange und ging weiter. Das Gemach der Königin. Er näherte sich dem Thron. Dort saßen zwei kleine, einsame Gestalten. Eine davon sprang sofort herunter, lief durch das Zimmer und hüpfte an Josh hoch. Das pelzumhüllte kleine Wesen prallte ihm an die Brust. Er hielt es fest: Isis.
    »Rarrr!« schnurrte sie und versuchte sich in ihn hineinzupressen. Sie warf sich in seinen Händen herum, rieb ihren Kopf an seinem Arm, leckte ihn überall ab und sagte noch einmal mit Nachdruck: »Rarr!«
    »Hallo, Pelzgesicht«, flüsterte Josh. Er wiegte sie einen Augenblick sanft hin und her, hielt ihr weiches, schwarzes Köpfchen an sein Gesicht, streichelte sie zärtlich hinter dem Ohr, so, wie sie es am liebsten hatte. Dann stellte er sie auf den Boden und näherte sich dem Thron. Isis blieb, wo sie war, schnurrte weiter und putzte sich.
    Als Josh drei Meter vor dem Thron

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