Neue Zeit und Welt
landete Phé mit Ollie und den Spraydosen aus den Feuerhöhlen. Sie hatten im Wald der Tränen einen Zwischenhalt eingelegt und waren dann mit der gebotenen Eile über das Terrarium weggeflogen, in großer Höhe, um schnell zu sein. Dort war es sehr kalt gewesen, und Ollie hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt, dass Phé ihn fest an ihre Brust drückte. Es war das erste Mal, dass er in so engem, lang anhaltendem Kontakt mit einem Vampir gewesen war, und obwohl ihn ihre endlosen Späße genervt hatten und er von Zeit zu Zeit ihre neugierigen, suchenden Hände hatte abwehren und ihr dröhnendes Lachen hatte erdulden müssen – gegen alle seine Instinkte war es dazu gekommen, dass er Zuneigung für sie empfunden hatte.
Der Flug hatte sie beide erschöpft. Nachdem sie Jasmine und den anderen alles erzählt hatten, fielen sie am Lagerfeuer bald in tiefen Schlaf.
Es war ein Tag für Heimkehrer. Nicht lange danach tauchte Aba auf, mitgenommen, aber wieder gekräftigt. Er und Paula fielen sich in die Arme und pressten sich wortlos aneinander.
Danach bereitete man sich auf die kommenden Dinge vor.
Man entschied sich dafür, sofort anzugreifen, bevor die Natur durch die Launen und Zuckungen der Kind-Königin noch weiter pervertiert werden konnte.
Joshua war von seiner Begegnung mit dem Kind in der vergangenen Nacht noch immer nicht zurückgekehrt. Jasmine quittierte die Ironie mit einem Kopfschütteln: Nach allem, was geschehen war, würden sie nun doch antreten müssen, um Joshua aus der Festung zu befreien.
Ihr Plan war einfach genug. Vor der Äußeren Stadt wollten sie sich in zwei Gruppen teilen. Die eine, von ihr angeführt, sollte in die Tunnels hinabsteigen und im Thronraum heraufkommen. Die andere Gruppe, angeführt von Ollie, sollte den Thronraum durch die Festung selbst erreichen. Jasmine und Ollie sollten je eine der Spraydosen mitführen und jeden aus dem Weg räumen, der sie daran zu hindern versuchte, das Kind zu besprühen.
Während sie sich mit allem bewaffneten, was sie besaßen -Armbrüste, Messer, Schwerter, Fackeln, Injektionsspritzen – sank Osi herunter und landete mitten in ihrem Kreis.
Ein Aufruhr entstand, als der fremde Vampir umzingelt und beinahe tätlich angegriffen wurde – bis Aba vortrat.
»Lasst ihn!« rief der junge Vampir. Leiser fügte er hinzu: »Das ist Sire Osi, mein Freund.«
»Ich danke Euch, Sire Aba.« Der ältere Vampir entblößte den Hals. »Euch hier wieder zu sehen, ist eine unerwartete Freude.«
»Was willst du hier?« fuhr ihn Ollie an, der sich aus seiner kurzen Gefangenschaft in der Festung noch gut an Osi erinnerte.
Osi wandte sich an die ganze Gruppe.
»In der Festung hat es eine Verschwörung gegeben, die zu einem Aufstand führte. Das Kind wird von der Hälfte der eigenen Garde bedrängt. Ich entkam nur mit Mühe, nachdem ich mich an der Verschwörung beteiligt hatte …«
Die Umstehenden ächzten und schnappten nach Luft, schrien auf.
»Lasst ihn ausreden!« rief Jasmine.
»Danke«, sagte Osi. »Ich bin geraume Zeit im Kreis geflogen und entdeckte euer Lager. Zuerst wollte ich ein paar von euch entführen und im Dschungel einen Harem errichten. Aber ich überlegte es mir und beschloss, mich euch anzuschließen, damit wir gemeinsam das Ungeheuer in der Festung vernichten.«
Wieder erhob sich empörtes Geschrei, das Jasmine mit herrischer Geste zum Schweigen brachte.
»Hört endlich auf!« zischte sie.
Sie sah Osi prüfend an.
»Wie sieht es in der Festung jetzt aus?« fragte sie.
»Sie ist eine Ruine. Die Aufständischen sind an die fünfzig Mann und werden von Fleur angeführt, einem Neurowesen. Soviel ich weiß, haben sie sich im Kraftwerk verschanzt. Das Kind wird von fünfzig anderen unter einem Neuromann namens Ninjus verteidigt. Ugo, ein Sire, unterstützt sie. Er ist ein Sangrenoir. Schlechtes Blut.«
Jasmine nickte bedächtig.
»Warum bist du hergekommen, um uns zu helfen?« fragte sie.
Osi kam sich unter ihrem Blick schutzlos vor. Er sah an ihr vorbei – und begegnete Abas Blick. Sie sahen einander lange an. Anspannung, Zuneigung; Frage. Keiner rührte sich. Dann trat Paula zu Aba und legte den Arm um ihn. Die Spannung löste sich auf. Aba beugte sich hinunter und küsste sie auf den Kopf.
Osi sah Jasmine wieder an und lächelte.
»Bei meinem Blut, Neurofrau«, sagte er, »es schien einfach das Richtige zu sein.«
Jasmine dachte kurze Zeit nach, dann senkte sie den Kopf und nahm die Erklärung hin.
Osi berichtete
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