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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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gingen, um die Verteidigung der Festung zu planen – die schwarze Garde, die Ehrengarde der schwarzen Magie. Bald würde es eine neue Welt geben, das spürten sie, das lag in der Luft.
    Das Kind saß allein, wutentbrannt; ringsum zuckten Funken auf. Das Multiwesen wand sich in einer schattenhaften Ecke in träger Todesqual. Draußen begann es zu schneien.
     
    Der Schnee fiel langsam in dicken, nassen Flocken auf das Lager der Buchleute. Kein Wind, kein Laut. Die Bewohner und Tiere im Lager blieben die ganze Nacht angstvoll wach – niemand wusste, was zu erwarten war.
    Die Nachtschwärze verdichtete sich. Nicht einmal die Lagerfeuer konnten es auflockern. Sie waren wie Lichtgeronnenes, das dichte Lichtlosigkeit zu durchdringen versuchte; wie Sterne in den Tiefen des Weltraumes. Man konnte kaum zwei Schritte gehen, ohne über jemanden zu stolpern oder mit anderen zusammenzustoßen – selbst auf kürzeste Entfernung konnte man nichts sehen, und alle Lagerbewohner hatten sich voll Furcht zusammengedrängt. Nur die geschrumpften Feuer waren sichtbar, sternenhaft und kalt.
    Kein Laut drang durch die entstandene Leere. Tiere wimmerten und redeten wie in ein Vakuum hinein. Das leise, ferne Rauschen des Meeres war mit erschreckender Endgültigkeit verstummt. Die Luft selbst schien tot zu sein.
    Die Nacht hielt lange an.
    Als endlich der Morgen kam, schien das lähmende Gefühl nur langsam zu vergehen. Der Himmel war wie eine dunstig gespannte Fläche, der Wind wie flacher Atem.
    Kurze Zeit hagelte es faustgroße Körner. Einmal klaffte in mittlerer Entfernung die Erde, gähnte weit und schloss sich wieder – völlig lautlos, wie ein Schrei ohne Klang.
    Isis verließ Joshuas Schoß nicht. Sie wusste, dass er ihre tröstende Gegenwart mehr brauchte als alles andere. Die meiste Zeit schlief sie. Wenn sie wach wurde, putzte sie sich, leckte ihm die Hand, schnurrte, wenn er sie streichelte, ohne dass er es selbst bemerkte.
    Er saß da und versuchte die zuckenden Fasern der Zeit zu beschwichtigen, die er im Auge des Kindes gesehen hatte, betete zum Wort, dass sie ihn nicht mehr rufen möge.
    Einige Zeit später in dieser langen, endlosen Nacht wurde er doch gerufen.
     
    Er ging stoisch in die Dunkelheit der Stadt ohne Namen. Überall brannte es, sogar der Fluss, aber die Flammen gaben kein Licht. Er wankte in die Festung, in das Gemach der Kind-Königin. Er ging um das vielgliedrige Untier herum, das sich immer noch zuckend am Boden wand, und trat vor das Kind.
    Fast ihr ganzer Körper war jetzt von Federn bedeckt. Ihr Schwanz war lang und schuppig, ihre Augen glühten wie schwarzrote Rubine. Sie war fast zwei Meter groß.
    Er spürte alle ihre Gedanken, als sie leise summend sagte: »Vater, warum hast du mich geschaffen?«
    Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
    »Es war die Königin«, sagte er stockend. »Die Königin und ich, wir …«
    »Vater, warum hast du mich so geschaffen, wie ich bin?«
    »Das war keine Absicht, du bist einfach …«
    »Warum ich? Warum, was ich weiß?«
    Josh spürte, dass sein Herz wie eine Trommel zu hämmern begann.
    »Was weißt du?« flüsterte er mit trockenem Mund.
    »Ich weiß … alles. Nein. Nicht alles. Ich selbst bin für mich undurchsichtig. Abgesehen von diesem armseligen Klumpen, der jetzt zu dir spricht, kenne ich das Universum.«
    »Was weißt du?« flüsterte er.
    »Energie, Raum, Zeit, alles fließt durch meine Hände – nur mein eigenes Ich ist blind für mein Auge, taub für meine Berührung. Das wird alles enden, wie immer – aber mein eigenes Ende kann ich nicht sehen. Sie verwirrt mich, diese Blindheit. Wie soll ich vorgehen? Ich bin der Schlüssel, aber ich fühle mich so traurig, Vater. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Warum bin ich so? Wo ist der Sinn?«
    »Was meinst du damit, es wird alles enden, wie immer?«
    »Nicht immer. Das heißt, es ist immer anders. Und doch immer dasselbe. Mein Name ist anders, die Umstände sind fremdartig, aber unverwechselbar. Der Vorgang ist nicht aufzuhalten, alles ist ein Fließen, wir auch. Mein Name in diesem Fließen ist Krsna. Oder vielleicht auch Yaweh, wie schon einmal Fließen und Vergehen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Was hat es zu bedeuten?« fragte sie rau.
    »Nichts hat etwas zu bedeuten«, versicherte er. »Außer Freunde. Nur Freunde bedeuten etwas.« Das wusste er im Innersten.
    »Nur die Kreisläufe bedeuten etwas. Das All dehnt sich aus, das All zieht sich zusammen. Wird zu einer Kugel von der Größe …

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