Neues Glück für Gisela
hinunter, trocknete ihre Augen, schlug den Pelzmantel enger um sich und lief weiter.
Dann hörte sie rasche, humpelnde Schritte hinter sich. „Gisela! Gisela!“ Rolfs kleine Faust wurde in ihre Hand gesteckt. Seine Worte kamen keuchend und stoßweise, denn er war gerannt, so rasch ihn seine armen Beine tragen konnten.
„Gisela… ich wollte dir nur sagen, daß… mich hast du nicht gekauft. Mich hast du – bekommen…“
Gisela drückte Rolf einen Augenblick an sich. „Mein Junge“, flüsterte sie. Dann lief sie weiter.
Ein guter alter Freund
Es war eine sonderbar stille und gedrückte Stimmung beim Abendessen auf Siebeneichen. Rolf saß blaß, mit gesenktem Kopf da und stocherte nur im Essen herum. Willi strengte sich an, ein Gespräch in Gang zu bringen, bekam aber nur einsilbige Antworten. Es war eine Erleichterung für ihn, als die Jungen „Gute Nacht“ gesagt hatten und nach oben gegangen waren. Willi ging in sein Büro, nahm die ewigen Abrechnungen zur Hand und versuchte zu arbeiten. Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Zum Schluß gab er es auf, schlug die Bücher zusammen und sah auf die Uhr. Er erhob sich, um nachzuschauen, ob das Licht in den Schlafsälen ausgemacht war. Er fand Rolf im Waschraum.
„Na, Rolf? Du solltest doch schon im Bett sein?“
„Ja, ich hatte nur vergessen, mir die Zähne zu putzen.“
Er spülte die Zahnbürste sorgfältig aus, setzte sie in den Becher und diesen auf seinen Platz auf dem Brett. Dann drehte er Willi den Rücken und wollte gehen.
„Du, Rolf?“
„Ja“
Es war ein trockenes, uninteressiertes Ja, ohne den freundlich-fragenden Tonfall, den so ein Ja haben kann. „Ich glaube fast, du hättest mir etwas zu sagen, Rolf.“
„O nein.“
Willi ging zu dem Jungen hin und legte ihm den Arm um die Schulter. „Komm, Rolf, laß uns damit fertig werden. Du weißt, daß wir uns hier im Haus immer aussprechen, wenn etwas nicht stimmt.“
Willi ließ seinen Arm um Rolfs Schulter liegen und führte ihn mit sich in sein Büro. „Hier, nimm diese Jacke, Rolf, du frierst ja.“ Er war nur in seinem Schlafanzug. Willi legte ihm die Jacke um die Schultern. „So, und jetzt heraus damit, mein Junge. Du kannst ruhig deine Meinung sagen, das weißt du. Ich gelobe dir im voraus, nicht böse zu werden.“
Rolf richtete seine klugen Augen auf ihn. Er biß sich in die Lippe und schwieg eine Weile. Dann faßte er einen Entschluß. „Okay, wenn du es haben willst. Du warst schäbig gegen Gisela.“
Willi war ganz ruhig.
„Ich dachte mir, daß es das war, ja. Du hörtest, was ich zu ihr sagte?“
„Ja, aber ich habe nicht gehorcht, Willi. Ich wußte nicht, daß ihr da drin wart…“
„Ich weiß, daß du nicht horchen würdest, Rolf. Also, du findest, daß ich schäbig war. Vielleicht hast du recht. Auf jeden Fall war ich unbeherrscht, und das ist schlimm genug. Aber, Rolf, verstehst du mich nicht? Verstehst du nicht, daß es schwierig sein kann, so viele Geschenke entgegenzunehmen und…“ Willi sah den Jungen durchdringend an.
Es fiel dem erwachsenen Mann nicht ein, daß etwas Sonderbares an dieser Situation sein könnte, indem er Rat und Hilfe bei einem kleinen, dreizehneinhalbjährigen Jungen suchte.
„Doch, das verstehe ich schon. Aber das hättest du doch auf eine andere Weise sagen können. Denk doch daran, wie gut wir es gehabt haben, seit wir mit Gisela bekannt wurden. Es ist nicht bloß das, daß sie uns eine Masse Geschenke gibt. Aber sie ist, sie… hat uns gern“, brach es plötzlich aus ihm heraus.
Willi schwieg eine Weile. Dann sagte er leise: „Und du hast wohl Gisela sehr lieb, Rolf?“
Die Ruhe des stillen Abends lud zur Vertraulichkeit ein. Und sie hatten es beide nötig, sich auszusprechen, der große und der kleine Junge. Sie wußten, ohne es sagen zu müssen, daß dieses Gespräch immer nur zwischen ihnen beiden bleiben würde.
„Ja, aber ich würde sie auch liebhaben, selbst wenn sie uns keine Geschenke gegeben hätte.“
„Ja, das verstehe ich. Sie hat doch dein Leben gerettet. Oder jedenfalls dich davor gerettet, schlimm zu Schaden zu kommen.“
„Ich hätte sie liebgehabt, auch wenn sie das nicht getan hätte.“
„Im Anfang warst du doch gar nicht begeistert für sie. Ich meine in der Schule.“
„Da habe ich sie nicht gekannt.“
„Ja, ja, das ist wohl so. Aber kehren wir zum Anfang zurück. Du findest, daß ich schäbig war, aber gleichzeitig verstehst du, wie schwierig es für mich ist. Was hätte ich
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