Neues Glück für Gisela
das?“
„Rate mal“, sagte Gisela, „laß sehen, wie scharfsinnig du bist.“ Rolf blickte sie an, dann schoß ihm eine warme Welle ins Gesicht. „Vielleicht – weil es im August war, daß wir einander kennengelernt haben?“
„Das stimmt, du Schlingel! Gerade deshalb.“
Gisela hatte in ihrem Leben viele Gaben bekommen. Kostbare, ausgesuchte, künstlerisch vollendete Sachen. Aber sie wußte plötzlich: noch nie hatte sie sich so über ein Geschenk gefreut wie über das Kaninchenjunge namens Augusta.
Am Morgen des dritten Weihnachtstages kam Schwester Ruth zurück. Gisela packte ihren Koffer und fuhr in die Stadt, das Nähkästchen und den Teewagen gut im Taxi verstaut, mit vielen Danksagungen und dem Versprechen, Silvester auf Siebeneichen zu feiern.
Willi wollte die größten Jungen heute mit auf eine Skitour nehmen. Er stand da in seinem neuen Pulli, den Skihosen und Skistiefeln und sagte ihr Lebewohl und bat sie, bald wieder zu kommen.
„Du hast uns ein unvergleichliches Weihnachten bereitet, Gisela“, sagte er und drückte ihre Hand.
„Und du mir auch“, flüsterte Gisela. „Dank für alles!“ Dann fuhr sie ab.
Zu Hause angekommen, stellte Gisela nur schnell ihr Gepäck ab, zog nicht einmal den Mantel aus, sondern ging schnurstracks zum Sportgeschäft. Da mußte sie erklären, warum sie gerade diese Art von Skiern haben wollte. Der Ladeninhaber war voll Verständnis.
„Sie haben vielleicht Glück!“ sagte er freundlich. „Ich habe heute früh ein bißchen mit der Inventur angefangen. Ich habe tatsächlich noch etliche von diesen alten Holzskiern, dieselben, die Herr Stranden damals kaufte. Kommen Sie doch bitte mit nach unten, dann werden wir sie uns ansehen!“
Es zeigte sich, daß er noch vier Paar von den größeren hatte, und außerdem acht Paar ganz kleine Kinderskier. „Für die Drei- bis Vierjährigen“, erklärte er. „Wenn Sie mir den ganzen Restbestand abkaufen, werde ich den Preis noch etwas herabsetzen – ja, und die kleinen Bindungen für die Kleinkinder gebe ich dazu. Die Bindungen für die großen sind auch nicht teuer, sie sind natürlich nicht das neueste Modell, es sind die guten alten Huitfeldbindungen – ach, die kennen Sie nicht, Sie sind ja auch viel zu jung – , aber damit habe ich selbst Skilaufen gelernt. Und schließlich ist der Schnee heute der gleiche wie damals, und die Füße haben sich auch nicht verändert.“
Gisela überlegte einen Augenblick. Sie wollte ja eigentlich fünf Paar von den großen haben – nein, halt, der siebenjährige Martin, der konnte noch ein „Kleinkinderpaar“ benutzen, er war ja so eine kleine halbe Portion…
Dann sagte Gisela kurzerhand ja und schrieb einen Scheck aus, während die Bindungen in einen Karton verpackt wurden.
„Es eilt wohl?“ fragte der Ladeninhaber. „Bei dem Wetter! Ach, wissen Sie was – ich schmeiße das Ganze in meinen Lieferwagen und fahre es gleich hin, dann ist es erledigt. Kommen Sie mit, oder?“
Und ob Gisela mitkam!
Der nette Besitzer rief seine Frau. Sie sollte für eine halbe Stunde auf den Laden aufpassen, und dann ging es ruck, zuck nach Siebeneichen. Gisela hatte Herzklopfen vor Freude. Wie würden die Jungen überrascht und glücklich sein.
Darin hatte sie recht.
Die Jungen waren beim Schneeballwerfen im Hof, ein paar von ihnen waren dabei, eine Schneeburg zu bauen. Aber als sie den Lieferwagen sahen, kamen sie alle angerast. Willi und die Größeren waren nicht zu sehen. Es gab ein großes Hallo, eifrige Hände halfen beim Entladen, die Zwölf-, Dreizehnjährigen fingen sofort an, in der Werkstatt die Bindungen anzumontieren. Gisela blieb bei ihnen. Sie ließ den Ladeninhaber allein zurückfahren und stand lächelnd da und sah, wie die Kleinsten die noch bindungslosen Skier ergriffen und versuchten, darauf zu stehen. Tante Marthe kam raus auf die Treppe, die Köchin erschien mit roten Wangen und dem Kochlöffel in der Hand. Sie schlugen die Hände zusammen und riefen: „Nein, dieses Fräulein Ryssel, Sie sind doch wirklich wie eine gute Fee.“
Bald waren die ersten Bindungen angemacht, und Rolf und Gisela standen zusammen und sahen den Kleinen zu, die sich tapfer mühten, sich auf den Beinen und ihren kleinen Skiern zu halten.
Rolf war so still. Gisela legte den Arm um seine Schulter, das durfte sie nun. „Tut es dir weh, das zu sehen, Rolf?“
„Ach nein. Das ist nun mal nicht anders. Und ich kann vielerlei, das die anderen nicht können. Man kann eben nicht alles auf
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