Neues Glück für Gisela
hinausschicken muß, von der sie trotz aller Bestrebungen doch allzu wenig wissen.“
Gisela dachte nach. Es lag so nahe, dies alles mit ihrer eigenen Kindheit zu vergleichen. Sie dachte an die Kinderpartys, die Reisen, die Familienbesuche und alles, was ein wohlhabendes Kind aus gutem Hause erlebt und als selbstverständlich betrachtet. Sie dachte zum ersten Male in ihrem Leben daran, wie reich sie war. Als Kind hatte sie von ihrer Taufpatin, deren Namen sie trug, ein beträchtliches Vermögen geerbt. Seit sie einundzwanzig war, hatte sie die Verfügung über Beträge gehabt, die Willi und den Jungen geradezu abenteuerlich vorgekommen wären. Aber erst in den letzten Monaten war es ihr klar geworden, daß man das Geld zu etwas anderem gebrauchen konnte als für Reisen, Bücher, Kunstgegenstände, Kleider und ein bißchen Wohltätigkeit hier und da. Man konnte es dazu gebrauchen, andere Menschen glücklich zu machen.
„Hast du einen Augenblick Zeit, Gisela?“
Gisela richtete sich auf von der Kinderkommode, wo sie die Wäsche der Kleinkinder geordnet hatte.
„Ach, Rolf, du bist es? Was willst du denn hier im Babyzimmer? Natürlich habe ich Zeit, mein Junge. Hast du etwas auf dem Herzen?“
„Ich möchte dir gern etwas zeigen, wenn du mit zum Kaninchenstall kommen magst?“
„Klar! Wenn ich nur Per dazu kriegen kann, daß er aufpaßt, damit sich Paul und Tommi nicht die Bauklötze auf die Köpfe schlagen! Ich mußte sie nämlich gerade in dieser interessanten Beschäftigung unterbrechen. Einen Augenblick, Rolf, ich schlüpfe nur rasch in den Mantel.“
Seite an Seite gingen sie zum Kaninchenstall, das war übrigens etwas, das Gisela oft und gern tat. Erstens, weil sie Tiere gern hatte, und zweitens, weil sie Rolf gern hatte.
Er öffnete die Tür zu einem der Käfige.
„Sieh nur!“
Sechs kleine hellgraue junge Kaninchen tummelten sich in dem soliden Käfig. Sechs kleine glänzende Seidenknäuel.
„Aber Rolf, glaubst du, daß sie die Winterkälte aushalten? Das ist doch der Wurf, den du gerade vor Weihnachten bekommen hast?“
„Ja, natürlich, die Jungen sind vierzehn Tage alt. Gefallen sie dir?“
„Na und ob! Die sind ja zum Fressen süß.“ Rolf lachte.
„Da hast du was Wahres gesagt.“
„Ach, du weißt gut, was ich meine. Daß wir sie wirklich einmal essen sollen, daran denke ich gar nicht. Jetzt möchte ich sie lieber mit ins Spielzimmer nehmen und mit ihnen spielen.“
„Ich bin nicht sicher, ob sie das gern hätten. Aber guck dir dieses an, Gisela, siehst du, daß es größer und kräftiger ist als die anderen?“
„Ja, das ist geradezu auffallend.“
„Das soll nicht gegessen werden, verstehst du. Das ist ein prächtiges Weibchen und wird zur Zucht eingesetzt. Das heißt – das bestimme nicht ich, verstehst du, ich möchte… du sollst…“ Rolf stotterte plötzlich, war verwirrt und biß sich auf die Lippe. Dann nahm er das Kaninchen aus dem Käfig und legte es in Giselas Hand.
„Bitte, das gehört dir, du sollst es besitzen. Und…“, jetzt stürzten die Worte atemlos aus seinem Mund, „…und wenn es Junge bekommt, so gehören sie dir, und da kannst du dir selber die Felle für eine Jacke sammeln, auf die Weise wird es ein ordentliches Geschenk, verstehst du, und ich möchte dir so gern etwas Ordentliches geben.“
Gisela stand da, das weiche, warme kleine Tier in der Hand und die Augen auf Rolf gerichtet. Mit einer Hand hielt sie das junge Kaninchen, ihre andere lag auf Rolfs Schulter.
„Lieber, lieber Rolf – ich freue mich so, vielen herzlichen Dank! Ich bin froh, ein lebendes Tier zu haben und daß es nicht geschlachtet werden soll, eins, das am Leben bleiben darf, mit dem ich plaudern und spielen kann, und ich freue mich, daß du dir dies für mich ausgedacht hast, mein lieber Junge!“ Da lächelte Rolf.
„Freust du dich wirklich darüber, Gisela?“
„Ja, darauf kannst du wetten! Ich finde es reizend von dir, daß du dir dies für mich ausgedacht hast. Aber, Rolf, es muß schon hier in seinem Ställchen bleiben, weißt du.“
Rolf nahm ihr behutsam das Kaninchen ab und lachte glücklich. „Ja, ich habe nicht von dir erwartet, daß du es zu dir heimnehmen solltest, damit es deinen Teppich mit Kaffeebohnen verziert. Natürlich muß es hierbleiben, und ich werde es betreuen. Aber wie soll es denn heißen? Du weißt, wir geben den Zuchttieren immer Namen.“ Gisela dachte nach, dann lachte sie. „Ich weiß es. Es soll Augusta heißen.“
„Und warum
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