Neues vom Erlengrund: Mias schwerster Ritt (Reiterhof Erlengrund)
war mit Rosetten und Schleifen verziert. An der gegenüberliegenden langen Seite entdeckte Mia ein erhöhtes Podest, eine Art Rednerpult, auf dem eine Lampe und ein Mikrofon standen. Sie fragte sich, ob da wohl der Auktionator stand. Dann hätte sie ihn genau im Blickfeld. Perfekt! Aber wie um alles in der Welt sollte der von dort aus so weit gucken können? Nie im Leben würde der Auktionator sehen, wenn Sebastian sein Gebot abgab!
Sie spürte leichte Verzweiflung in sich aufsteigen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und schnurstracks zu Pirouetta in den Stall gelaufen. Schließlich wusste sie genau, wo die Stute stand. Aber Sebastian hatte ihr erzählt, dass die Stallungen jetzt gesperrt seien. Die Besichtigungszeit war abgelaufen. Ab jetzt konnte man die Pferde nur noch in der Halle bewundern.
»Ob Piri wohl genauso nervös ist wie ich ?«
Mia hatte gar nicht gemerkt, dass sie laut gedacht
hatte. Erst als sich in der Reihe vor ihr ein paar Köpfe
nach ihr umwandten, wurde es ihr bewusst. Sofort wurde sie knallrot und versenkte ihre Nase blitzschnell in dem Programmheft, das sie krampfhaft umklammert hielt.
»Klar, Mädel«, sagte eine tiefe Stimme. »Die Pferde spüren genau, dass heute ein wichtiger Tag ist. Die werden geputzt und gestriegelt, bis man sich in ihrem Fell spiegeln kann, und dann haben sie ihren großen Auftritt .«
Verlegen schaute Mia auf. Vor ihr saß der Mann, der sich vorhin so lautstark über die tolle Nummer 18 geäußert hatte; der Mann mit dem Pferdeverstand, der die Preise so gut kannte!
Mia zwang sich zu einem Lächeln. Der Mann nickte ihr freundlich zu.
»Viel Erfolg«, sagte er, bevor er sich wieder seinem Sitznachbarn zuwandte.
»Danke, gleichfalls«, murmelte Mia. Sie nahm sich vor, den Typen genau im Auge zu behalten. Er schien ein echter Experte zu sein. Auch jetzt gab er schon wieder bereitwillig Tipps und gute Ratschläge in alle Richtungen.
Als Sebastian zurückkam, war Mia tatsächlich ein bisschen lockerer. Sie hatte sich an die Atmosphäre in der Halle gewöhnt und strahlte ihren Freund an. Sebastian reichte ihr einen Becher Cola.
»Also, wenn's mit Pirouetta nicht klappt«, sagte Mia
lässig, »sollten wir uns vielleicht auf die Achtzehn
konzentrieren. Das soll 'ne ganz heiße Nummer sein .«
Sebastian starrte Mia an, aber die legte nur einen Finger an den Mund und sagte: »Pst, es geht los !«
Tatsächlich ging in diesem Moment das kleine Licht auf dem Podest an, und der Auktionator betrat seinen Arbeitsplatz. Viele der Besucher schienen den Mann zu kennen, denn als er seine schwarze Melone lüftete und vorgestellt wurde, brandete freundlicher Beifall auf.
Mia versuchte sich auf die beginnende Auktion zu
konzentrieren. Aufmerksam studierte sie die Einträge im Programmheft und bewunderte die Pferde, die in rascher Reihenfolge an der Hand vorgeführt wurden. Gleichzeitig bemühte sie sich, Sebastians fachkundigen Kommentaren zu lauschen und daneben auch noch den Äußerungen des Hallensprechers und natürlich denen des vor ihr sitzenden Pferdeexperten zu folgen. Schon bald schwirrte ihr der Kopf. Die Gebote für die Pferde schienen aus allen Richtungen zu kommen. Mia fragte sich, wie um Himmels Willen der Auktionator das alles auseinanderhalten konnte. Zwar hatten alle Bieter kleine Tafeln mit verschiedenen Nummern drauf, die sie in die Höhe hielten, wenn sie bei einem Pferd mitbieten wollten, aber für Mia blieb es ein Rätsel, wie in diesem unübersichtlichen Chaos jedes Pferd einen neuen Eigentümer fand und diesem zugeordnet werden konnte. Ob es da nicht schnell mal zu Verwechslungen und Missverständnissen kommen konnte?
Sofort machte sie sich wieder Sorgen um Pirouetta. Was, wenn ein anderer Bieter den Zuschlag für die Stute bekam, nur weil der Auktionator eine Nummer verdrehte oder ein Gesicht verwechselte? Oh Hilfe! Sie mochte gar nicht daran denken! In ihren Ohren rauschte es, und ganz kurz wünschte sie, sie wäre nicht mitgefahren. Diese ganze Hektik war einfach zu viel!
Mia schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, trabte eine Stute namens Aptiva auf dem Hufschlag. Danach wurde ein Rappe mit Namen Diabolo vorgeführt.
Mias Herz überschlug sich fast. Sie kannte die beiden Pferde! Kathrin und Dennis, ihre besten Freunde, hatten sie im Frühjahr in dieser Halle geritten.
Ihre Gedanken wanderten zurück. Im Frühjahr hatte sie gemeinsam mit Kathrin und Dennis einen Springlehrgang auf Gut Seekamp besucht und dabei einen handfesten
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