Neues Vom Watership Down
vielleicht hätte umgehen können, aber so weit er sehen konnte gab es keine Möglichkeit. Er ging ein Stück weit in die Einbuchtung hinein und kam dann herausgerannt und eilte zu der Kuh.
»Bist du sicher, daß niemand in deinen Wald kommt, Mutter?« fragte er.
»Niemand betritt diesen Wald«, antwortete die Kuh. »Er ist Frith, unserem Herrn, geweiht und durch das Licht der Sonne und des Mondes verzaubert.«
»Na schön, ich weiß nicht, wie das mit dem Licht der Sonne und des Mondes ist«, sagte El-ahrairah. »Aber hinter der Biegung sind zwei Dachse am Werk, und die scheinen entschlossen, reinzugehen. Die graben schon wie verrückt, und sie brauchen nicht mehr lang.«
»Keine Chance«, entgegnete die Kuh. »Die Verzauberung ist viel zu stark. Aber ich werde trotzdem mal nachsehen und sie verjagen.« Sie rappelte sich auf und trottete schwerfällig fort.
Sowie sie in der Einbuchtung verschwunden war, schoß Elahrairah wie der Blitz durch die Lücke und befand sich auf einmal in dem unwirklichen Licht des Waldes.
Das war kein Wald wie andere Wälder. Es fing schon damit an, daß unheimliche Geräusche laut wurden, angsterregende Geräusche, die möglicherweise aus Bäumen kamen oder aber von Tieren, wenngleich er sich nicht vorstellen konnte, von welchen Tieren. Außerdem gab es weder Weg noch Pfad. Manchmal kam es ihm vor, daß er Wasser roch oder hörte, aber als er darauf zugehen wollte, fand er nichts und wurde unsicher. Er hatte gedacht, durch einen Wald zu gehen, das sei doch nicht der Rede wert für ein Kaninchen seines Wissensstandes und seiner Erfahrung, doch bald wurde er eines Besseren belehrt, als er nämlich feststellte, daß er im Kreise ging. Auch war er überzeugt, daß sich trotz aller Geräusche weder ein Vogel noch sonst irgendein Lebewesen in dem ganzen Revier befand, das er abgegangen war.
Vier Tage lang oder sogar hrair Tage lang wanderte Elahrairah hungernd durch diesen fürchterlichen Wald, in dem nicht einmal Gras wuchs. Mehr als einmal wäre er gern wieder zurückgegangen, aber er wußte weder, wo es zurück noch wo es vorwärts ging. Eines Tages gelangte er schließlich in dieser Waldwüste zu einem steilen Hang, an dem unten ein kleines Gewässer vorbeifloß, das völlig überwachsen war. Er beschloß, dem Gewässer zu folgen, das ja früher oder später aus dem Wald hinausfließen müßte, wie er sich dachte, wenngleich er nicht wußte, auf welcher Seite.
Er folgte dem Bach zwei Tage lang und wurde so schwach, daß er nicht weitergehen konnte. Er legte sich hin und schlief ein, und als er erwachte, sah er im weiteren Verlauf des Bachs den schwachen Abglanz eines stärkeren Lichts. Er stolperte vorwärts und kam endlich zu einer sumpfigen Stelle, wo das Gewässer aus dem Wald hinausfloß in eine ebene grüne Wiese so weit das Auge reichte. Das Gras dieser mit Schlüsselblumen übersäten Wiese war das beste, das er je gekostet hatte. Er fraß sich rundherum satt, und in einem Loch im Uferhang schlief er einen ganzen Tag und eine Nacht.
Wach geworden, wanderte er über die weite Wiese, die voller Blumen war: Hahnenfuß, Margeriten, Blutwurz, Orchideen und Bibernelle. Er hatte neue Kraft gewonnen und fragte sich, welche Richtung er nun bei diesem merkwürdigen Ausflug einschlagen müßte. Am Uferhang lagernd, wo Baldriankräuter wuchsen, schrak er zusammen, als er wieder seine Freundin, die Goldammer, durch die Hecke flitzen sah. Sie sang:
El-ahrairah! El-ahrairah! Jetzt geheilt und satt allhier, sucht den großen, weißen Stier.
El-ahrairah war darüber höchst verwundert, denn er hatte gedacht, er müsse jetzt die Zweite Kuh suchen, von der aber nichts zu sehen war. Doch er vertraute der Goldammer und wanderte weiter über die große Wiese. Er begegnete keinem anderen Tier und fühlte sich so sicher, daß er zwei Nächte lang im Freien schlief.
Am dritten Tag kam er an eine Stelle, wo das Gras abgefressen und zertrampelt war, und da gewahrte er vor sich den weißen Stier. Er hatte noch nie eine so edle Gestalt gesehen. Die großen Augen waren blau wie der Himmel, und die langen geschwungenen Hörner schimmerten wie reines Gold, und sein Fell war samtig weich und so weiß wie Wolken im Sommer.
El-ahrairah grüßte den Stier wie ein Freund, denn er sah dem Tier an, daß es ihm nichts tun würde. Sie setzten sich zusammen ins Gras und sprachen über Nichtigkeiten – über Blumen und Sonnenschein.
»Lebst du hier allein?« fragte El-ahrairah.
»Ach ja, ich bin allein«,
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