Neues Vom Watership Down
habe ich nie in Zweifel gezogen. Aber ... wie kannst du es nur zulassen, daß in deiner Schöpfung so etwas wahnwitzig Grausiges existiert wie diese Wunde, etwas so Furchtbares, das niemand ertragen kann?«
»Ich lasse es nicht zu, El-ahrairah. Schau empor zum Himmel. Da ist nichts zu sehen, nicht wahr?«
El-ahrairah sah ängstlich nach oben. Das Loch im Himmel war nicht mehr zu sehen.
»Selbst wenn du es nur einen Augenblick lang zuläßt, Herr –«
»Es war nie da, El-ahrairah.«
»Nie da? Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
»Was du gesehen hast, El-ahrairah, war eine Wahnvorstellung. Unwirklich. Ich hatte keine Möglichkeit, sie wegzuwischen.«
»Und der alte Themmeron, in Parda-rail –«
»Er konnte erkennen, daß du das Loch im Himmel nie gesehen hast. Sprich nie mehr darüber. Kaninchen, die es gesehen haben wie du, wollen nicht darüber reden, und solche, die es nicht gesehen haben, halten dich nur für einen komischen Kauz.«
El-ahrairah nahm sich das zu Herzen. Er hatte etwas Neues gelernt. Das Loch im Himmel sah er nie mehr, und er sprach auch nie mehr leichtfertig darüber, besonders nicht gegenüber Kaninchen, denen er anmerkte, daß sie Ähnliches durchlitten hatten wie er.
6. Die Sache mit dem Kaninchengespenst
Da gibt's hier herum keins, weder Mann noch Schaf, was am Jammerbrunnen jammert, und gab's auch nie, solang ich hier leb'.
M. R. James Wailing Well
Von den vier Efrafraniern, die sich seinerzeit, am Morgen von General Woundworts Niederlage, in dem verwüsteten Wabenbau Fiver ergeben hatten, waren drei sehr bald darauf in Hazels Gehege gut gelitten.
Groundsel, der auf Streifengängen noch geschickter und findiger war als Blackavar, war trotz seiner leidenschaftlichen Verehrung für das Andenken des Generals eine wertvolle Bereicherung des Geheges, und der junge Thistle erwies sich alsbald, befreit von der harten EfrafraDisziplin, als warmherziger und fröhlicher Baugenosse.
Die Ausnahme war Coltsfoot. Niemand wußte, woran man bei ihm war. Ein verdrießliches, schweigsames Kaninchen, zwar höflich gegenüber Hazel und Bigwig, aber doch oft ausgesprochen ruppig gegenüber anderen; selbst mit seinen Efrafra-Genossen sprach er kaum etwas. Beim silflay graste er fast immer in einiger Entfernung von allen anderen. Niemand hätte im Traum daran gedacht, ihn zu bitten, eine Geschichte zu erzählen.
Als Bigwig sich eines Tages bei Hazel über »diesen lästigen Widerling mit dem Gesicht so lang wie ein Krähenschnabel« beschwerte, riet Hazel, ihn in Ruhe zu lassen, weil es offenbar das war, was er wollte; wenn er sich erst einmal hier mehr zu Hause fühlte, würde man weiter sehen.
Bluebell wurde gebeten, keine Witze mehr auf Kosten von Coltsfoot zu machen; er bemerkte, daß ihn dessen Schweigen und trauriger Blick an eine Kuh erinnerte, die im Regen zusammengeschrumpft war.
Die erste Hälfte des Winters, der diesem ereignisreichen Sommer folgte, war von trügerischer Milde. Der November hatte viele Sonnentage, welche die kleinen weißen Blüten von Sternmiere und Hirtentäschel herauslockten, und hie und da brachen unten am Down sogar schon die samtigen schwarzen Eschenknospen hervor, und es zeigten sich auch die Büschel karminroter Narben an den Zweigknospen der Haselsträucher.
Kehaar, die Möwe, kam eines Tages zur Freude des ganzen Geheges angeflogen und brachte eine Freundin namens Lekkri mit, die mit ihrer Sprache, Silver zufolge, einen neuen Rekord auf dem Gebiet totaler Unverständlichkeit aufstellte. Kehaar wußte natürlich nichts von dem, was alles seit dem Morgen nach dem großen Ausbruch aus Efrafra vorgefallen war. Er hörte die ganze Geschichte eines windigen, wolkenverhangenen Nachmittags von Dandelion, als das Birkenlaub flog und das windzerzauste Gras raschelte, und bemerkte am Ende gegenüber dem begriffstutzigen Erzähler, daß die Katze der Nuthanger-Farm »sein viel, sehr viel gemein wie Haufen Kormoran«, eine Ansicht, die Lekkri bestätigte mit einem raspelnden Urlaut, der ein junges Kaninchen in der Nähe hoch in die Luft springen und sofort zu seinem Loch stürzen ließ.
An schönen Vormittagen sah man die zwei Möwen vom Nordhang des Downs aus, wie sie, weißglänzend im schwachen Sonnenschein, über dem gepflügten Acker, auf dem sich der Weizen des nächsten Jahres schon zartgrün ankündigte, nach Nahrung suchten.
Gegen Ende des Monats hatte Blackavar eines Nachmittags Scabious und Jung-Threar, den Sohn von Fiver, auf eine Übung mitgenommen;
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