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Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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dem ich ihm von meiner sicheren Ankunft berichtete. Ich durfte nicht zu spät zur Gesellschaft unten erscheinen; es würde nicht wohlwollend aufgefasst werden. Ich beschloss, das graue Seidenkleid zu tragen, das ich gekauft hatte, als ich in Halbtrauer um meinen Vater gewesen war. Das würde kein Augenbrauenzucken bei Miss Roche hervorrufen, was, wie ich bereits herausgefunden hatte, darauf hindeutete, dass ich etwas Verkehrtes gesagt oder getan hatte. Ich nahm an, dass ich dieses Zucken während meines Aufenthalts in Shore House häufig zu sehen bekommen würde.
    Die Roche-Schwestern hatten sich für das Abendessen ebenfalls umgezogen. Ihre Kleider waren erneut, wie die Tageskleider, aus dem gleichen Stoff geschneidert, in diesem Fall einem sehr kostspieligen dunkelblauen Taft. Phoebe, die experimentierfreudigere der beiden, wie ich fand, trug Rüschen am Saum und in der Mitte des Mieders. Christina hingegen bevorzugte einen sehr schmucklosen Stil mit lediglich einer Reihe kleiner Knöpfe am Oberteil. Es war traurig, dass diese wunderschönen Kleider an zwei so nichtssagenden Trägerinnen in einer so nüchternen Umgebung verschwendet wurden. Oder hatte die Anwesenheit eines Gentlemans am Tisch sie dazu gebracht, sich auf diese Weise herauszuputzen? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es zu meinen Ehren war.
    Das Abendessen war sehr schmackhaft, wenngleich ohne Raffinesse. Die Konversation war höflich und nicht kontrovers. Lucy sah hübsch und deprimiert aus in einem hellrosa Kleid. Sie beteiligte sich nicht an den Gesprächen. Ich bemerkte, dass sie den Doktor verstohlen beobachtete, doch jedes Mal, wenn er sich an sie wandte und sie anredete, blickte sie sofort auf ihren Teller und murmelte eine wortkarge Antwort. Mehr als je zuvor erschien sie mir wie ein Kind – ein Kind, das ohne Vorbereitung in eine feindselige erwachsene Umgebung gestoßen worden war und nicht wusste, wie es den Fallstricken und Stolperfallen entkommen sollte, die hier überall lauerten. Ichfragte mich, wie sie aufgewachsen war, ob ihre Tanten Roche sie in ihrer Obhut gehabt hatten oder ob sie auf eine Schule geschickt worden war. Was war mit ihren Eltern? Sie waren bisher mit keinem Wort erwähnt worden. All diese Dinge wollte ich in Erfahrung bringen, falls möglich von Lucy selbst, auch wenn dazu beträchtliches Einfühlungsvermögen erforderlich werden würde. Leider war das nicht meine stärkste Seite, und genau wie die arme Lucy fühlte ich mich wie jemand, der in unbekannten Gewässern trieb.
    Nach dem Essen zogen wir Damen uns in den Salon zurück und ließen Dr. Lefebre allein mit einer Karaffe Portwein im Speisesaal zurück. Miss Roche führte uns nach draußen, gefolgt von ihrer Schwester (beide unter lautem Rascheln von Taft). Lucy und ich bildeten den Abschluss.
    »Ich bin eine verheiratete Frau und sollte eigentlich vorausgehen!«, murmelte Lucy widerwillig.
    Doch sie schien mehr mit sich selbst zu sprechen als mit mir, und so hielt ich es nicht für erforderlich zu antworten. Man musste schon eine sehr tapfere Person sein, um diesen Punkt der Etikette mit der furchterregenden Miss Roche zu debattieren. Ich betrachtete die beiden vor mir gehenden Schwestern, und mir wurde bewusst, dass beide einen guten Kopf größer waren als ich. Ich überlegte, wie sie wohl als junge Frauen in Lucys jetzigem Alter gewesen sein mochten. Nicht zu vergleichen mit ihrer jungen Nichte, nahm ich an.
    »Verraten Sie mir doch, Miss Martin«, forderte mich Miss Roche unerwartet auf, nachdem wir im Salon Platz genommen hatten, »welche Pflichten hatten Sie im Hinblick auf Ihre vorherige Arbeitgeberin?«
    »Ich habe ihr manchmal vorgelesen, ich habe für sie Briefe geschrieben, ich habe den vierten Spielpartner beim Whist gegeben«, antwortete ich. »Und manchmal habe ich sie begleitet, wenn sie ausgegangen ist.«
    »Whist?«, sagte Miss Roche, und ihre Augenbrauen zuckten. »Meine Schwester und ich spielen kein Whist. Kartenspiel ist ein Zeitvertreib, der zu unvorteilhaften Gewohnheiten führt.«
    Ich warf einen Blick auf das Schachtischlein mit dem angefangenen Spiel. »Es tut mir leid, aber ich beherrsche das Schachspiel nicht«, sagte ich schwach.
    »Nicht schlimm«, erwiderte Miss Roche. »Lucy spielt auch nicht. Abgesehen davon hat Dr. Barton, unser Hausarzt, Lucy Leibesertüchtigung und frische Luft verordnet. Vielleicht könnten Sie morgen Früh mit ihr spazieren gehen.«
    Sie warf nicht einmal einen Blick auf Lucy, während sie dies

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