Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
Einspänner überholte einen Burschen mit seiner Frau im Gefolge. Ihr Fahrer Greenaway meinte, er wäre von Beruf ein fahrender Rattenfänger.«
»Brennan!«, sagte Miss Roche unverzüglich in scharfem Tonfall. »Also ist er wieder zurück in der Gegend?«
»Ich mag diesen Mann nicht«, sagte Miss Phoebe nervös, indem sie zum ersten Mal etwas zur Konversation beitrug. »Er macht mir Angst.«
»Unsinn, Phoebe«, sagte ihre Schwester, ohne in Phoebes Richtung zu blicken. »Er benimmt sich immer vollkommen gesittet.«
»Das sagst du immer, Christina. Aber er bringt das Pech mit sich.«
»Sei nicht töricht, Phoebe«, tadelte Miss Roche ihre jüngere Schwester. Endlich blickte sie Phoebe auch an, doch es geschah nur, um den Tadel zu unterstreichen. »Du hast zu viel Geschwätz aus dem Dorf angehört.«
»Das vorletzte Mal, als er hier war, hat einer seiner schrecklichen kleinen Hunde die Küchenkatze getötet!«, beharrte Phoebe.
»Dann hätte Cook das Tier einsperren sollen, bis Brennan wieder weg war. Abgesehen davon brauchen wir ihn wieder. Ich muss Greenaway Bescheid geben, dass er ihn herrufen soll. Irgendwo hier im Haus treibt sich eine Ratte herum. Ich habe sie in letzter Zeit zweimal gesehen.« Sie deutete mit einer ausholenden Geste auf den Raum ringsum.
»Ich hab keine gesehen!«, protestierte Miss Phoebe ängstlich.
»Weil du deine Nase immer in irgendeinem Buch hast! Beim letzten Mal, als sie aufgetaucht ist – am helllichten Nachmittag! –, war sie gleich dort drüben.« Christina Roche zeigte mit einem gebieterischen Finger in die gegenüberliegende Ecke des Raums.
Wir alle blickten einigermaßen nervös zu der Stelle. Was war das dort, unter dem Sessel? Bewegte sich da vielleicht etwas?
»Sie rannte nach draußen in die Halle«, fuhr Miss Roche fort. »Aber sie ist ganz sicher noch irgendwo im Haus. Brennan soll sich um sie kümmern.«
»Könnte Cook nicht einfach wie üblich Arsenik auslegen?«, fragte Miss Phoebe und fuchtelte verzweifelnd mit den Händen. »Ist es wirklich nötig, dass dieser Brennan herkommt?«
»Ja, es ist nötig, und nein, wir können kein Arsenik auslegen. Die Kreatur hat ihr Versteck ohne Zweifel ganz in der Nähe, möglicherweise hinter irgendeiner Scheuerleiste oder so. Ich kann keine Teller mit Arsenik im Salon oder in einem Esszimmer aufstellen lassen! Du musst den Mann nicht sehen, Phoebe, wenn er kommt. Das weißt du.«
Zum Glück kam in diesem Augenblick der Tee, und das Thema Ratte wurde fallen gelassen. Das Teegeschirr wurde nicht von Williams, der Haushälterin, gebracht, sondern von einem Stubenmädchen in mittlerem Alter. Sie war kaum wieder gegangen, als sich dieTür erneut öffnete. Dr. Lefebre erhob sich von seinem Platz. Lucy Craven hatte sich zu uns gesellt.
Ich hatte bereits gewusst, dass sie jung war, doch mir war nicht klar gewesen, wie jung, und ich muss gestehen, ich war schockiert. Dieses Kind konnte noch nicht viel älter als siebzehn sein. Sie war sehr hübsch – oder wäre es zumindest gewesen mit ein wenig mehr Leben im Gesicht. Es war noch immer ein Püppchengesicht mit rundlichem Kinn, vollen Lippen und einer Stupsnase. Das Auffälligste an ihr waren die riesigen blauen Augen, umrahmt von langen dunklen Wimpern. Die Farbe besaß einen Stich ins Purpurne und erinnerte mich an Glockenblumen. Das einfache, lila gestreifte Kleid, das sie trug, spiegelte den Farbton wider. Sie hatte die blonden Haare zu einem langen Zopf geflochten, den sie am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengesteckt trug. Sie war sehr blass und trug keinerlei Schmuck außer ihrem Ehering. Keine Spitze, keine Bänder. Der Effekt war, dass sie aussah wie eine Porzellanpuppe.
Mein Gott, sie ist nicht mehr als ein Schulmädchen, und so sieht sie auch aus! , dachte ich schockiert bei mir.
»Ihr Diener, Ma’am«, sagte Dr. Lefebre und verneigte sich vor ihr.
Lebhaftigkeit kam in ihr Gesicht – oder besser, in die blauen Augen. Plötzlich blitzten sie so unverhohlen feindselig in Lefebres Richtung, dass ich völlig schockiert war. Doch es war nur für einen kurzen Moment, dann verschleierte sich ihr Blick, und die atemberaubenden Augen blickten genauso puppenartig ausdruckslos drein wie zuvor. Lucy nickte schweigend als Antwort auf die Begrüßung.
Wie ich den Arzt inzwischen kennen gelernt hatte, war ich sicher, dass ihm die Feindseligkeit ebenfalls nicht entgangen war, mit der sie auf ihn reagiert hatte. Lucy hatte die Nase von Ärzten wahrscheinlich voll.
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