Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
noch hingerannt sein?
Zum Strand hinunter! , dachte ich bei mir. Sie hatte mir von dem Tor in der Lorbeerhecke am unteren Ende des Gartens erzählt. Dr. Lefebre hatte beim Frühstück davon gesprochen, dass er am vergangenen Abend nach dem Essen durch den Garten hinunter zum Strand spaziert war. Wenn er das Tor im Mondlicht gefunden hatte, dann konnte es nicht so schwer zu entdecken sein.
Und doch – hätte ich nicht gewusst, dass es existierte, wäre ich vielleicht vorbeigegangen, ohne es zu bemerken. Ich war überrascht, dass der Doktor es in der Nacht gefunden hatte. Es war nur ein kleines Holztor, und die starken Zweige des Lorbeers mit seinen glänzenden Blättern verdeckten es. Es schien nicht oft benutzt zu werden, und doch waren einige Lorbeerzweige abgebrochen. Ich hielt inne, um sie zu untersuchen. Die frischen Bruchstellen konnten von Lefebre verursacht worden sein … oder von dem geheimnisvollen Mann mit dem weißen Hund? War er auf diese Weise auf das Grundstück gelangt? Die älteren verheilten Brüche konnten Lucys Werk sein.
Ich drückte gegen das Tor. Die Hecke bot Widerstand, doch dieAngeln waren geölt (eine weitere Überraschung), und ein heftiger Stoß von meiner Seite zwang es auf. Ich trat hindurch und war am Strand.
Die Sonne schien mir grell ins Gesicht. Ich hielt inne, um ihre Wärme zu genießen und den wundervollen Anblick der glitzernden Lichtflecken, die auf dem Wasser weit draußen tanzten. Es herrschte Ebbe. Die Umrisse der Isle of Wight mit ihren Hügeln und Gebäuden winkten verlockend. Doch die Nähe der Insel war nur eine Illusion.
Ich gestehe zerknirscht, dass ich für zehn Minuten oder länger völlig vergaß, warum ich an den Strand gekommen war, nämlich, um nach Lucy zu suchen. Vielleicht wollte ich diese elende Geschichte auch nur für eine Weile aus meinem Kopf verdrängen. Ich mochte Lucy und wollte ihr helfen, doch ich wusste nicht mehr, wem oder was ich glauben sollte und wer mir die Wahrheit erzählte und wer nicht. Lucy war so offen und freimütig, dass es an Naivität grenzte, doch ihre plötzlichen Stimmungsschwankungen machten es schwer für mich, wenn nicht nahezu unmöglich, eine vernünftige Unterhaltung mit ihr zu führen. »Ich bin gut im Lauschen«, hatte sie ohne jede Spur von Verlegenheit gestanden. Also waren List und Täuschung durchaus keine Unbekannten für sie.
Was Lefebre betraf, er schien ein ehrenwerter Mann zu sein, auch wenn ich grinsend dachte, dass er sicherlich einen guten Schachspieler abgegeben hätte. Vielleicht spielte er das ein oder andere Mal mit einer der Schwestern Roche während seines Aufenthalts in Shore House. Die beiden schienen das Spiel zu lieben.
Die Wildheit der Küste, das Durcheinander unvertrauter Objekte, die wie achtlos weggeworfen umherlagen sowie die außergewöhnliche Klarheit der Luft verführten mich, meine komplizierten Überlegungen zu verdrängen. Ich raffte meine Röcke und setzte mich in Bewegung. Der Kies knirschte unter jedem Schritt.
Der Strand bestand aus hellem Kies, angespült vom Meer und an Ort und Stelle gehalten von Buhnen aus Holz, die in regelmäßigen Abständen ins Meer ragten wie Reihen von schwarzen, faulen Zähnen. Doch zwischen den ausgedehnten Flächen rasch trocknenden Kiesesgab es auch sandige Stellen, feucht und so flach und eben, dass sie aussahen wie gebügelt. Die Flächen waren übersät mit Kothäufchen von Schlickwürmern und Muschelschalen, sowohl intakt als auch zerschmettert in Myriaden Stücke, die an zerschlagene Eierschalen erinnerten. Dazwischen lagen immer wieder eigenartige Objekte von einem so reinen Weiß, dass sie zu leuchten schienen. Als ich eines davon aufhob, um es zu untersuchen, erkannte ich, dass es sich um Sepiaschalen handelte, die gleichen Gebilde, die Vogelbesitzer zwischen die Gitterstäbe ihrer Käfige klemmen, damit ihre gefiederten Insassen daran picken können.
Gleichermaßen faszinierend fand ich die Massen von Seetang, die in großen Bergen angespült auf dem Strand lagen. Mancher war dunkelbraun, anderer leuchtend grün oder glänzend oder rau und übersät von Beulen. Ich nahm ein Blatt auf und drückte auf eine Beule; sie platzte auf befriedigende Weise, und eine Substanz quoll heraus, die stark nach Ammoniak roch. Hastig ließ ich den Tang fallen.
Auch andere Reste lagen am Strand herum, Holzstücke und Fetzen von Fischernetzen und tote Fische. Möwen stolzierten zwischen alledem umher auf der Suche nach Beute und ignorierten mich
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