Neugier und Übermut (German Edition)
Feind abgenommen und als Souvenir mitgebracht hatte. »Für Gott und Vaterland« habe darauf gestanden, sagte mir Roland Dumas später einmal. Auf Gott haben sich auch die Franzosen und die Engländer im Großen Krieg berufen.
An jenem Samstag am 8. Dezember, als ich ihn zum ersten Mal traf, landete Dumas tatsächlich mit einer kleinen Regierungsmaschine auf einer winzigen Landepiste bei Périgueux und absolvierte sein Programm, als wäre er immer noch der unbedeutende Europaminister.
Auf dem Markt sprach ihn ein Mann im blauen Kittel an, der Gänse verkaufte. Aus Diskretion hielt ich mich etwas entfernt von den beiden. Ich sah, wie Dumas seinen dicken Füllfederhalter, wohlgemerkt, keinen billigen Kugelschreiber, hervorholte und einige Notizen in seinen Block schrieb. Hinterher fragte ich ihn, ob er mir sagen könne, worum es ginge.
»Der Mann hat mir erzählt, dass sich sein Sohn bei der Polizei beworben habe, aber nicht genommen wurde«, sagte Dumas. »Er fragte, ob ich etwas tun könne.«
»Und können Sie etwas tun?«
»Ja sicher!«
Dumas würde den Präfekten anrufen, der würde beim Polizeidirektor intervenieren und der würde daraufhin den Sohn des Händlers vom Markt anstellen, und von da an würden alle auf dem Markt sagen, was für einen großartigen Abgeordneten sie in Roland Dumas hätten. Eine kleine Lektion über das Leben in Frankreich für mich.
Bei untergehender Sonne führte ich schließlich mein Interview mit Roland Dumas im Vorgarten eines seiner Unterstützer. Wir waren fast am Ende, als sein Fahrer angerannt kam und das Gespräch unterbrach. Mitterrand sei am Autotelefon und rufe aus Afrika an.
Es gab ein politisches Problem mit Mobutu, und nun sollte Außenminister Dumas dem Präsidenten sofort zu Hilfe eilen.
Ende unseres ersten Gesprächs.
Noch heute bin ich Weisenfeld für seinen Rat dankbar, denn seitdem ist meine Beziehung zu Roland Dumas nicht mehr eingeschlafen. »Mon cher Ulrich«, nennt er mich inzwischen, wenn er mir einen Brief oder eine Mail schreibt.
Als ich ihn kürzlich an unser erstes Interview in Périgueux und den Anruf Mitterrands erinnerte, lachte er kurz.
»Mitterrand war wütend, weil ich nicht mitgeflogen war, obwohl er mich doch gerade zum Außenminister ernannt hatte.«
»Und was war das Problem?«
»Mobutu weigerte sich aus irgendeiner Eitelkeit heraus, zum franco-afrikanischen Gipfel nach Bujumbura in Burundi zu kommen. Deshalb musste ich nach Kinshasa fliegen und ihm die Finanzierung einer neuen Brücke versprechen, damit er endlich kam.«
Mit Dumas’ kleiner Maschine, die ihn von Paris nach Périgueux geflogen hatte, konnte man Afrika nicht erreichen. Also fuhr der frischgebackene Außenminister nach Bordeaux, aß am Flughafen zwei Spiegeleier und wartete auf ein größeres Regierungsflugzeug. Allerdings waren die Langstreckenmaschinen alle mit dem Tross von Mitterrand in Afrika unterwegs. Deshalb hat Dumas doch mit einem kleineren Flugzeug vorliebgenommen.
»Wir mussten fünfmal zwischenlanden und auftanken«, erinnerte er sich.
Nun saßen wir also »Chez Lipp« und gingen die französischen Politiker durch. Ich wollte von ihm wissen, wer denn 2012 wohl der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten werden würde. Doch sicher Strauss-Kahn!
»Das glaube ich nicht«, lachte Dumas, »er hat mir selber gesagt, dass es drei Gründe gibt, weshalb er nicht kandidieren werde. Erstens seien da die Geschichten mit Geld. Nun gut, sagt er, diese Geschichten haben andere auch, und er habe die Unterlagen über seine Gegner noch aus der Zeit, in der er Finanzminister war …«
Solche »Geschichten mit Geld«, die Dumas meint, dienen mir in meinen Kriminalgeschichten, um Korruption zwischen Politik und Geschäft zu erklären. Auch das gehört zur französischen Politik. Meist stammen Millionen aus Waffengeschäften, in die der französische Staat verwickelt war, und wer auch immer gerade regierte, hat sich davon eine Scheibe Schwarzgeld für Wahlkämpfe abgeschnitten. Häufig reden sich Politiker, die mit zu viel Bargeld erwischt werden, damit raus, dass es doch aus den geheimen Fonds der Regierung stamme. Denn bis vor kurzem gab es eine Eigenheit in der französischen Politik, die dazu führte, dass der Premierminister jeden Monat riesige Summen Bargelds an die Minister verteilte.
»Das ist eine Angewohnheit aus der Dritten Republik«, erläuterte mir Dumas diese Zahlungen, »Das sind die geheimen Fonds. Die sind halt geheim. Die Verteilung erfolgte so:
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