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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Mittel beeinflussen zu können.«
    Die Schwerpunkte der Versuche: massive und häufig wiederholte Elektroschocks und psychische Beeinflussung durch hypnotische Botschaften.
    Während die Patienten am »Allan-Institut« glaubten, wegen ihrer Depressionen behandelt zu werden und dafür Tausende Dollar zahlten, machte Cameron in Wirklichkeit Versuche mit Gehirnwäsche.
    Die erste Versuchsreihe galt der Frage: Welche Drogen kann man für Gehirnwäsche verwenden? Das damals weitverbreitete LSD wurde Patienten wie Vera Orlikow direkt in die Venen gespritzt, zeitweise jeden Tag.
    »Wenn man eine Spritze direkt in die Vene bekommt, setzt die Wirkung sofort ein«, erzählte sie. »Ich hatte Albträume. Es war schrecklich. Ich glaubte, ich sei nicht mehr ich selbst und hatte keine Kontrolle über mich. Ich warf mich gegen die Wände, lag auf dem Bett und konnte nicht mehr aufstehen. Dann wiederum hatte ich das Gefühl, als würden meine Knochen schmelzen, oder ich wäre eine winzige Person, die eine besondere Pille braucht – wie Alice im Wunderland –, um wieder eine normale Größe zu erreichen. Ich weinte, schrie, glaubte, ein Eichhörnchen in einem Käfig zu sein. Es war entsetzlich, einfach grässlich.«
    Diese Versuchsmethode mit Drogen und LSD brachte keinen Erfolg. Doch sie zerstörte Patienten und hinterließ bleibende Schäden.
    Die zweite Versuchsreihe ging der Frage nach: Wie können Schlafkuren und Hypnose das menschliche Verhalten verändern?
    Mit Medikamenten, wie dem lähmenden Gift Curare, wurden Patienten bis zu zwanzig Stunden am Tag in Schlaf versetzt und einer dauernden Berieselung durch Tonbänder ausgesetzt. Mal sprach eine Stimme, mal sprachen mehrere, um dem Einfluss von Gruppen auf die Spur zu kommen. Untersucht wurde dabei, wie stark der Geist sich unterbewusst gegen die Aufnahme von Botschaften wehrt. Dem Patienten Robert Logie wurde auf diese Art ständig eingeflüstert, seine Mutter sei tot, bis er davon überzeugt war. Als er schließlich nach Hause kam, traf er auf seine sehr lebendige Mutter.
    Auch diese Versuchsmethode brachte keinen Erfolg, hinterließ aber entsetzliche Schäden. Nur sehr wenige Mitarbeiter von Professor Cameron wussten, dass diese Experimente vom amerikanischen Geheimdienst CIA finanziert wurden.
    Die dritte Versuchsreihe hieß: Löschen des Gedächtnisses durch Elektroschocks.
    Dabei ging Ewen Cameron bis ans Extrem: Vierzigmal länger als gewöhnlich waren die Stromstöße, die er in das Hirn seiner Patienten jagte. Auch die Stromspannung erhöhte Cameron um fast ein Drittel.
    Patient Robert Logie war diesen Versuchen ausgesetzt: »Ich versuchte auszureißen, wurde aber erwischt und in Schlaf ver- setzt«, sagte er, »23 Tage lang hielt man mich im Schlaf, und in dieser Zeit wurde ich auf Teufel komm raus elektrisch geschockt und mit Tonbandanweisungen berieselt.«
    Vera Orlikow erzählte uns später von ihrem traurigen Leben. Meistens saß sie stundenlang auf ihrem Sofa und starrte stumm vor sich hin wie eine lebende Tote. Nur eines gab ihrem Leben noch Sinn: Der Kampf gegen Menschenexperimente zum Nutzen von Geheimdiensten.
    Ihr Mann, der Abgeordnete David Orlikow, stand während unseres Besuchs in seinem Haus in Winnipeg noch unter Schock. Er hatte erst wenige Tage zuvor von einem besonders schrecklichen Fall erfahren.
    »Ein ehemaliger KZ-Häftling, der sich in Montreal eine neue Existenz aufgebaut hatte«, so Orlikow, »begab sich wegen schwerer Depressionen in die Behandlung von Professor Cameron. Er wurde für drei Wochen in Schlaf versetzt und mit Elektroschocks behandelt. Als ihn seine Familie einige Wochen später besuchte, hatte er einen Teil seines Gedächtnisses verloren, sodass er glaubte, wieder im Konzentrationslager zu sein.«

Politiker und Dichter

Roland Dumas – vom Gestapo-Häftling
zum Freund der deutschen Einheit
    Es war im November vor ein oder zwei Jahren. Roland Dumas hatte einen Tisch für 20 Uhr im »Chez Lipp« am Boulevard Saint-Germain gegenüber vom »Café de Flore« reserviert, aber ich sagte zu meiner Frau Julia, es wäre peinlich, wenn wir wirklich um acht in das Restaurant kämen. In Paris ist niemand auf die Minute pünktlich.
    »Ich wette«, sagte ich, »Dumas kommt nicht vor halb neun.«
    Der Maître d’Hotel führte uns an einen Tisch im vorderen Teil des Lokals und sagte: »Monsieur Dumas hat für drei Personen reserviert.«
    Das »Lipp« ist beinahe 130 Jahre alt, nach 1900 wurden die Wände mit Spiegeln und farbigen

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