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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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schulischen Fehlzeiten wurden zu 100   % beseitigt, und in 90   % aller Fälle gab es eine erfolgreiche Berufswahl mit einem Ausbildungs- oder Studienplatz. Hier zeigt sich wieder einmal: Wenn ein Dritter einspringt und die vakante Stelle einnimmt, die eigentlich das Elternhaus besetzen müsste, nimmt das Leben der jungen Menschen einen anderen Verlauf. Es sprengt aber die Möglichkeiten der Gesellschaft, allen Einwanderern und ihren Kindern einen individuellen Betreuer an die Hand zu geben, der ihnen alle Wechselfälle des Lebens abnimmt und für sie regelt. Also das Rundum-Sorglos-Paket.
    Das Projekt HiB unter der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt verfolgte die gleiche Zielrichtung, aber auf einem anderen Weg. Es wandte sich ebenfalls an junge Menschen der 8. Klasse. Wenn sie zwei Jahre lang freitags und samstags einige Stunden »Nachhilfeunterricht inklusive Firmenpraktika« im weitesten Sinne wahrnahmen, dann sollten sie dafür einen garantierten Ausbildungsplatz erhalten. Das Projekt startete mit 24 Schülerinnen und Schülern, am Ende der Laufzeit waren vier davon übriggeblieben. Der Rest hatte nicht durchgehalten. Ich weiß, dass diese Form der Unterstützung in anderen Städten der Bundesrepublik erfolgreich durchgeführt worden ist. Vielleicht ist der Großstadt-Effekt ein zu starker Gegner gewesen.
    Unser Jugendamt beteiligt sich an dem Jugendberatungshaus des Neuköllner Netzwerkes Berufshilfe, das junge Menschen beim Übergang von Schule zum Beruf begleitet. »Ich bin Jugendlicher in Neukölln und habe den beruflichen Anschluss verpasst. Ich will etwas tun, weiß aber nicht, wie …« beschreibt dessen Zielgruppe: Jugendliche, die es ohne Hilfe Dritter nicht packen. Das Projekt ist wieder ein gutes Beispiel für die Verzahnung verschiedener Träger. Arbeitsagentur, Jobcenter, berufsbildende Schulen und Jugendhilfe wursteln nicht jeder vor sich her, sondern ziehen Honig aus ihren Schnittstellen. Im Jugendberatungshaus werden im Jahr etwa 4000 Neuköllner Jugendliche beraten, darunter über 60   % mit Migrationshintergrund. Ein durchaus beachtlicher »Gebrauchswert« der Einrichtung.
    Zwei Projekte führen wir derzeit im Versuchsstadium. Das eine nennt sich die »Task Force Okerstraße«. Es richtet sich gegen die Verwahrlosung des öffentlichen Raums und kümmert sich um überforderte Nachbarschaften. Das andere ist ein Schulschwänzer-Internat – offiziell »Schulwohnprojekt« genannt – für junge Leute, die eigentlich willig sind, aber immer wieder den Versuchungen des Milieus erliegen.
    Die Task Force ist in einem Gebiet tätig, das gekennzeichnet ist durch einen mit randständigen Menschen hoch belasteten öffentlichen Raum und vielfach illegal vermietete, völlig verwahrloste Häuser, an denen sich Mietabzocker eine goldene Nase verdienen. Denn hier werden nicht Wohnungen, sondern bis zu 20 Schlafplätze pro Wohnung à 100 bis 300 Euro pro Monat vermietet. Die Begleiterscheinungen solcher Vermietungsstrategie kann sich jeder vorstellen: Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal, ein ständiges Kommen und Gehen »neuer Nachbarn« schafft Unruhe und Unsicherheit im Wohnumfeld.
    Das Quartiersmanagement Schillerpromenade hat darauf reagiert und die Idee für ein Projekt entwickelt, welches von seinem Quartiersrat als Bewohnervertretung mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Die TFO , wie sie in Kurzform genannt wird, ist eine Kooperation zwischen Quartiersmanagement, tangierten Verwaltungen und Polizei. Vor Ort wurde ein Träger der Sozialarbeit damit beauftragt, Einfluss auf die Verhältnisse zu nehmen und mit der TFO zusammenzuarbeiten. Es geht um die Organisation eines halbwegs friedlichen Miteinanders und eines einigermaßen belastungsarmen Lebens für alle. Dafür müssen einige Problemgruppen ihr Verhalten ändern: Wir lassen die Leute nicht in Ruhe. Das ist natürlich repressiv. Deswegen gibt es aus der bekannten politischen Szene auch militanten Widerstand gegen das Projekt. Immer wieder eingeschlagene Scheiben, beschmierte Wände, verwüstete Büros, immer wieder bedrohte Mitarbeiterinnen. Das sind die Methoden, zu denen diejenigen greifen, die Begriffe wie »Demokratie«, »Toleranz« und »Freiheit« ständig im Munde haben, aber nur sich selbst meinen.
    Weil vorhersehbar bei solch »bösen« Maßnahmen, bei denen eigentlich gar nichts passiert, die doch nur dazu dienen sollen, einigermaßen erträgliche und zivilisierte Lebensverhältnisse für alle Bewohner des Kiezes

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