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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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unterstützen. (…) Die Gründe liegen viel näher: Integration durch Bildung und Arbeit war für Migranten in Deutschland immer nur ein Angebot, nie eine Notwendigkeit, der man nicht ausweichen konnte. Es gab und gibt den Ausweg, auch ohne Aufstieg durch Bildung und Arbeit finanziell abgesichert zu leben, nämlich mit Hilfe öffentlicher Mittel. (…)
Lange Abhängigkeit von sozialen Hilfen lähmt aber nicht nur die Eigeninitiative der Eltern. (…) Migranten über jahrelangen Bezug durch Transfermittel integrieren zu wollen, das konnte nur scheitern. (…) Zuwanderung zahlt sich für alle aus, wenn die Einwanderer über Bildung und Arbeit an unserer Gesellschaft beteiligt werden. (…) Mit den traditionellen Instrumenten des ›fürsorglichen‹ Sozialstaates wird dieses selbstverständliche Ziel nicht erreicht werden. Wie wäre es mal mit einem Konzept not made in Germany: Großzügig mit der Erlaubnis zur Arbeit und knauserig mit der Sozialhilfe?«
    Auch der weit über Berlin hinaus bekannte Pastor Bernd Siggelkow hat sich sehr klar zur Frage der Transferleistungen geäußert:
»Es bringt nichts, Hartz- IV -Empfängern mehr zu zahlen und die Sätze zu erhöhen. Die meisten Betroffenen leben ja nicht in einer finanziellen, sondern einer emotionalen Armut (…).
50 oder 100 Euro mehr im Monat ändern daran doch nichts. Heranwachsende brauchen mehr finanzielle Hilfe. Denkbar wäre der vorgeschlagene Bildungschip, mit dem Kinder konkret Mittagessen, Nachhilfeunterricht und Musikstunden bezahlen können. Das wäre auch die richtige Unterstützung für alleinerziehende Mütter.«
    Ich teile beide Einschätzungen ohne jede Einschränkung. Der moderne Ablasshandel des Wohlfahrtsstaats – Nimm deinen Scheck, geh nach Hause und sei ruhig – ist keine zeitgemäße Antwort auf das Problem der in bildungsferner Lethargie oder Kriminalität verharrenden Bevölkerungsschichten. Solange es so ist, dass Geringqualifizierte keine Chance haben, mit ihrer Hände Arbeit mehr Geld zu verdienen, als ihnen das Jobcenter ohne Gegenleistung überweist, solange werden wir die emotionale Aufstiegsblockade bei den Menschen nicht beseitigen.
    Nicht mehr Geld auf Probleme zu werfen bedeutet natürlich nicht, dass die Lösungen kostenlos sind. Gemeint ist vielmehr ein Systemwechsel. Weg von der teuren und dazu auch noch zukunftsfeindlichen Sozialalimentierung des Einzelnen hin zu Strukturen, die es ihm ermöglichen, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen. »Wenn ein Volk hungert, so schicke ihm kein Brot, sondern lehre es, die Äcker zu bestellen«, so lautet der alte Grundsatz der Entwicklungshilfe. Zehn Euro Kindergeld weniger werden durch ein kostenloses Mittagessen in der Schule mehr als aufgewogen. Das eine kommt dem Kind direkt zugute und führt auch zu Einsparungen im Portemonnaie der Eltern, das andere geht im Familienbudget manchmal unter.
    Die skandinavischen Länder gelten wohl weltweit als die Wohlfahrtsstaaten schlechthin und als die Gesellschaften, die die größten Erfolge bei der sozialen Gleichheit und der Generationen- wie Chancengerechtigkeit für die Jungen vorweisen können. Dass dort auch nicht alles Gold ist, was glänzt, ist nicht Thema dieses Buches. Ein offenes Geheimnis aber ist, dass die Effektivität des allumsorgenden Staates in diesen Ländern inzwischen stark in Zweifel gezogen wird und sich die starke Steuerlast lähmend in der Wirtschaft bemerkbar macht. So hat die dänische Regierung kinderreichen Familien das Kindergeld gekürzt und Migranten während der ersten sieben Jahre ihres Aufenthalts die Sozialhilfe halbiert. Man diskutiert sogar, Einwanderern weitere Sozialleistungen bis hinein in den Gesundheitsdienst zu streichen.
    Nun will ich an dieser Stelle gar nicht den Dänen das Wort reden oder auf andere skandinavische Finessen kommen wie den völligen Fortfall von Sozialleistungen bei Arbeitsverweigerung, sondern nur anklingen lassen, dass in anderen europäischen Staaten ebenfalls dem Zusammenhang von Sozialleistungen und ihrer möglichen Kontraindikation zu Eigeninitiative immer mehr Beachtung geschenkt wird. Ich halte das nicht nur für vernünftig und richtig, sondern darüber hinaus auch für zwangsläufig.
    Wenn Menschen sich bei der Suche nach mehr Glück und Wohlstand auf die Wanderschaft begeben, folgen sie einem natürlichen Instinkt. Selbstverständlich aber muss eine Gemeinschaft ebenso ihrem natürlichen Instinkt folgen und darauf bedacht sein, dass Hinzukommende sie stärken und ihr

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