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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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Stadt. Aufgrund der Vielfalt der Zuwanderung scheint diese Säule allein aber nicht mehr auszureichen und ins Wanken zu geraten. Ob das zutrifft, wird die Zukunft zeigen. Ein direkter Vergleich mit Neukölln ist schwierig. Es gibt in Glasgow fast keine Zuwanderung aus den orientalischen Ländern. Das kann eine Erklärung für zum Teil doch sehr erstaunliche Anpassungsprozesse der Einwanderer sein.
    Bestimmte Fragen zu Details des Bildungssystems oder zum Sozialwesen konnten wir so oft stellen, wie wir wollten. Wir sind einer Antwort nie näher gekommen. Nur in einem Moment riss der Vorhang etwas auf. Bei der Darstellung, wie engagiert versucht wird, Neuankömmlingen die englische Sprache mit Zwangssprachkursen beizubringen, fragten wir, was passiert, wenn jemand nicht zum Kurs erscheint. »Dann gibt es keinen social transfer «, war die Antwort. Interessant ist hierbei, dass die Teilnehmer des Sprachkurses, den man uns präsentierte, gerade erst 14 Tage in Schottland waren. Nicht immer ließen uns die Schotten überall hinschauen. Das war etwas schade. Gleichwohl habe ich die Schotten als ein ausgesprochen liebenswertes Völkchen kennengelernt.
    Das Projekt Intercultural Cities führte uns auch in die norwegische Hauptstadt Oslo. Bei Tagungen waren wir immer recht schnell ins Gespräch gekommen, weil die Norweger sich deutlich von dem Prinzip »Wir haben uns doch alle lieb« distanzierten. So konnte es nicht überraschen, dass wir in den Norden eingeladen wurden.
    Insgesamt machten die Norweger auf uns einen Eindruck starker Verunsicherung. In das Land und im besonderen Maße in die Stadt Oslo sind in den vergangenen Jahren Lebensrealitäten und Kulturdifferenzen getragen worden, die die Norweger so bisher nicht kannten. Auch bei dieser Reise entstand schnell ein geflügeltes Wort: »Wir sind doch nur Fischer«.
    Norwegen: eine unglaubliche Natur, die beeindruckende Welt der Fjorde, menschenleere Weiten und die Heimat der Trolle. Nachdem man Erdöl gefunden hat, ist ein »bisschen« Reichtum auch dabei. Ganz so einfach ist die Welt am Polarkreis aber nicht mehr. Zumindest nicht in Oslo. Allerdings bekamen wir auf die Nachfrage, ob die Landespolitik Verständnis und Unterstützung für die Osloer Sorgen entwickelt, nur ein mildes Lächeln zur Antwort. Der Großteil der norwegischen Bevölkerung kann sich Dinge gar nicht vorstellen, die in Oslo heute zum Alltag gehören. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Diese Distanz zu Problemen und zu den Fehlentwicklungen in unseren Städten. Die Insel Mainau ist halt ein netteres Gesprächsthema als die Bildungsferne in Bremerhaven.
    Oslo selbst hat 613   000 Einwohner, davon sind 27   % Einwanderer. Der durchschnittliche Anteil von Einwandererkindern in den Schulen Oslos beträgt 35   % bis 40   %. Allerdings erreicht in einzelnen Wohngebieten, wo 40   % bis 60   % der Bevölkerung Einwanderer sind, der Anteil der Einwandererkinder bis zu 90   %. Gemessen an Neukölln keine ungewöhnliche Situation.
    Es gibt inzwischen Jugendkriminalität, es gibt Alkohol- und Drogenabhängigkeit, und es gibt massive soziale Verwerfungen. Aufsuchende Sozialarbeit sowie Kinder- und Jugendschutzteams sind heute so selbstverständlich wie bei uns. Das alles sind Themen, die das Land früher nicht kannte. Es gab bisher keine geschlossene Unterbringung für Kinder und Jugendliche. Selbst bei schwersten Straftaten nicht. Kinder und Jugendliche sperrt man nicht ein, dadurch werden sie nicht besser, lautete das Credo. Ist ja auch etwas dran.
    Nachdem sich in Oslo wohl Jugendgangs einige Schießereien auf offener Straße geliefert hatten und eine offene Drogenszene entstanden war, war ein Umdenken alternativlos. Mittlerweile gibt es eine Art Jugendstrafanstalt, in der zur Zeit unseres Besuchs sechs unter 18-Jährige inhaftiert waren, und ein sogenanntes Spezialhaus mit vier bis sechs Plätzen wurde gerade errichtet. Der Begriff Jugendgefängnis war in den Gesprächen aber verpönt. Ein eigenes Jugendstrafrecht gibt es nicht. Um jugendliche Mehrfachtäter kümmern sich Kinder- und Jugendschutzteams des Jugendamtes. Dabei reicht der Status des Jugendlichen (mit dem auch das Recht auf einen Ausbildungsplatz verbunden ist) bis zum 23. Lebensjahr.
    Um auf die ungewohnten Herausforderungen reagieren zu können, wurde das Sa LT o-Programm entwickelt. Sa LT o heißt: »Zusammen schaffen wir ein sicheres Oslo.« Mit dieser Strategie verpflichten sich verschiedene Verwaltungsdienste zur Kooperation auf

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