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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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struktureller und operativer Ebene. Das Programm wurde ursprünglich 1980 in Dänemark entwickelt, ist inzwischen von Schweden und Norwegen übernommen worden und dient im Wesentlichen der Kriminalitätsprävention. Der Schwerpunkt liegt auf der Vernetzung und dem Zusammenwirken unterschiedlicher Institutionen. Natürlich ist ein Datenfluss zwischen den Beteiligten eingeschlossen, ohne den eine wirkliche Zusammenarbeit nicht möglich wäre. Hauptrichtung allen Handelns ist die Überwindung der Versäulung. Also Schluss mit dem Denken in Ämterzuständigkeit und der Haltung: »Wir machen nur Unseres, was andere machen, interessiert uns nicht.« Und kein eifersüchtiges »Wir lassen uns nicht in den Topf schauen!«.
    Die Philosophie der Norweger lautet: Bei Kindern und Jugendlichen ist alles nur ein großer Irrtum. Wenn sie straffällig werden, muss es dafür einen Grund geben, den man beseitigen kann. Wenn Kinder in der Schule nicht lernen und nicht mitkommen, dann können sie nichts dafür, sondern diejenigen, die sie behindern. Darum erhält jeder eine zweite und dritte Chance. Deswegen bekommt jeder einen Schulabschluss, denn es könnte sein, dass später doch noch der Knoten platzt.
    Das größte Kopfzerbrechen bereiten den Osloer Behörden Menschen aus Somalia. Sie haben sich als die am schwersten zu integrierende Ethnie erwiesen. Man kennt mittlerweile den Begriff des Intensivtäters, und angesichts des sauberen Images, das Oslo nun einmal hat, ist es beachtlich, dass es dort 117 davon gibt. Traditionelle Sozialisationsinstanzen wie der Sport, insbesondere Eishockey, entfalten in Stadtvierteln, die inzwischen überwiegend von Einwanderern bewohnt werden, kaum noch Kraft. So wurde in einem Viertel eine große Eissporthalle komplett umgebaut, weil sie niemand mehr benutzte. Heute ist sie ein Begegnungszentrum mit Theater und Café.
    Die aufsuchende Sozialarbeit muss sich überproportional den Einwandererkindern widmen. Die Gespräche zu diesem Teilaspekt waren etwas schwierig. Wenn wir zusammensaßen, waren fast immer alle staatlichen Dienste am Tisch. Natürlich auch die Polizei. Das war aber ein Problem. Aufsuchende Sozialarbeiter sehen ihre Hauptaufgabe darin, das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen zu gewinnen. Daher sind sie nicht bereit, ihr Wissen an Schulleitungen oder die Polizei weiterzugeben. Und wenn diese nun einmal dabei waren, behinderte das die Sprechbereitschaft. Mich erinnerte das an die Haltung von Sozialarbeitern vor etwa 25 bis 30 Jahren bei uns. Zu jener Zeit war es nahezu selbstmörderisch für einen Sozialarbeiter, überhaupt mit einem Polizeibeamten im Gespräch gesehen zu werden. Ich denke, an dieser Stelle werden sich die Norweger noch weiterentwickeln. So wie es auch bei uns geschehen ist.
    Keinen Spaß versteht man beim Thema Schulschwänzen. »Schuldistanzierte Jugendliche«, wie es bei uns verklärend heißt, sind Angelegenheit der Polizei. Es wurde nicht im Einzelnen ausgeführt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es da um Briefeschreiben geht. Allerdings wird das Kind nicht unter Gewaltanwendung in die Schule gebracht. Das macht ja dort genauso wenig Sinn wie bei uns. Prinzipiell gibt es eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Polizei. Jede Schule hat ihren festen Polizeibeamten, der sich um alle Dinge zu kümmern hat, die die Schule an ihn heranträgt.
    Ein ausgesprochen hartes Erlebnis war der Rundgang um den Hauptbahnhof. Das Gebiet ist ein Drogenschwerpunkt sowie ein Treff für alle Protagonisten der Subkultur. Nach Angaben der Norweger bewegen sich dort täglich 400 bis 500 Dealer, die den Bedarf von etwa 5000 Süchtigen decken. Obwohl der Platz videoüberwacht und der Besitz bereits kleinster Mengen Drogen strafbar ist, ließen sich die deutlich erkennbaren Dealer nicht in ihrem Tun stören. Dass unsere Gruppe von zwei uniformierten Polizeibeamten begleitet wurde, änderte daran gar nichts. Überwachungsdruck oder Angst vor Ordnungsmaßnahmen konnten wir dort nicht feststellen.
    Der Stadtteil Furuset, der mit 15   000 Einwohnern und einem Migrantenanteil von 42   % als sozialer Brennpunkt gilt, war unsere nächste Station. Es ist jener Stadtteil, in dem es die erwähnten spektakulären Zusammenstöße zwischen Jugendbanden mit Schießereien gegeben hat. Hier wurde uns in der Praxis das Funktionieren des Sa LT o-Arbeitsprogramms durch Polizeibeamte, Kinder- und Jugendschutz, ambulante Familienhilfe, Straßensozialarbeiter und ähnliche Dienste

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