Neukölln ist überall (German Edition)
Erwerbstätige für 20 Millionen Rentner bereits 140 Milliarden Euro auf den Tisch legen. Der Anteil der Ruheständler an der Bevölkerung wird von heute 25 % auf 40 % im Jahr 2050 steigen.
Der Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit ( IZA ), Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann, prognostiziert für das Jahr 2030 das Fehlen von sechs Millionen Arbeitskräften. Allein durch die Verschiebung der Altersstruktur werden die Sozialbudgets bereits bis zum Jahr 2020 mit zusätzlich 70 Milliarden Euro belastet. Würde man die steigenden Kosten für die Sozialsysteme im heute üblichen Umlageverfahren erheben, dann bliebe für die eigenen Lebenshaltungskosten der Erwerbstätigen und ihrer Familien bald nichts mehr übrig. Sie könnten zwar den Solidarpakt nach traditionellem Muster erfüllen, würden darüber allerdings verhungern. Die Wissenschaft sagt, selbst bei einer 100 %igen Produktivitätssteigerung mit den entsprechenden Einkommenserhöhungen könnten die immensen Aufwüchse der Soziallasten durch die Erwerbstätigen nicht aufgebracht werden.
In einem weiten Blick nach vorne hat Prof. Birg Berechnungen angestellt, dass im Jahre 2100 die Bevölkerungszahl in Deutschland – selbst unter Einbeziehung eines angenommenen Wanderungssaldos (Zuwandernde minus Auswandernde) von 82 Millionen – auf 46 Millionen Einwohner sinken wird. Dabei wird es sich um 21 Millionen Bio-Deutsche, also Menschen ohne Migrationshintergrund, und 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund handeln. So seine Prognose. Nun ist 2100 wirklich noch sehr weit weg. Ob die Entwicklung über 90 Jahre tatsächlich so vorher bestimmbar ist, sei dahingestellt. Unbestreitbar bleibt jedoch, dass die Einwohnerzahl in Deutschland abnimmt.
Weniger Menschen werden mehr Wert schöpfen müssen. Das heißt, die Bedeutung jedes Einzelnen und seines Beitrages zum Funktionieren der Gemeinschaft wird zunehmen. Tja, und das ist die Stelle, an der sich Demographie und Integrationspolitik begegnen. Die Demographen weisen darauf hin, dass die Auswirkungen der aktuellen Geburtenrate in den nächsten 75 Jahren nicht revidierbar sind. Es dauert mindestens drei Generationen, bis eine eventuell veränderte, sprich höhere Geburtenrate in der Bevölkerungsentwicklung zu einer Trendumkehr führt. So spüren wir bis heute die Auswirkungen der seit 1972 sinkenden Geburtenrate.
Deutschland benötigt jedes Jahr etwa eine Million Geburten, um im demographischen Gleichgewicht zu bleiben. Wir liegen allerdings aktuell bei 663 000 im Jahr 2011. Katastrophenberechnungen sagen ein weiteres Absinken auf 530 000 im Jahr 2030 und sogar nur 440 000 im Jahr 2050 voraus. Übersetzt auf die Geburtenrate je Frau benötigen wir einen Wert von mindestens 2,0. Heute liegt er bei 1,4 als Durchschnittswert. Für hochqualifizierte deutsche Frauen bei lediglich 1,0. Durch politische Steuerung haben es zum Beispiel Spanien, Dänemark und Schweden geschafft, ihre Geburtenrate auf 1,9 zu steigern. Hier liegt also ein weites, weites Feld für die Familien- und Kinderpolitik in unserem Land.
Ein kluger Mensch könnte auf die Idee kommen, den steigenden Altenquotienten einfach durch die Zuwanderung junger Leute aufzufangen. Guter Plan, allerdings ist dies wenig realistisch. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, müssten in den nächsten 40 Jahren netto 188 Millionen Menschen nach Deutschland einwandern. Allein diese Zahl erschlägt jede Diskussion, so dass diese Überlegung wohl abgehakt werden kann. Auch darf man bei Gedankenspielen mit der Zuwanderung nie die Frage außer Acht lassen, ob es wirklich solidarisch ist, in Schwellen- und Entwicklungsländern die Produktivkräfte – möglichst noch die qualifizierten – für das eigene Überleben abzuwerben. Die Folge dieses Aderlasses könnte durchaus sein, dass das Wirtschaftswachstum und damit steigender Wohlstand in den anderen Ländern ausbleibt. Dann sollten wir uns aber nicht über anhaltende Armutswanderungen auch innerhalb der EU beklagen.
Das Thema Anwerbung reizt zu lästerlichen Anmerkungen. Die beiden Volkswirtschaften, die im Moment mehr kluge Köpfe hervorbringen, als sie für die eigene Wirtschaftsentwicklung benötigen, sind China und Indien. Für Mathematiker und Computerspezialisten aus diesen Ländern müssten wir allerdings wohl deutlich attraktiver werden. Auch könnte eine konzeptionell angelegte Einwanderungspolitik, wie sie schon im Jahr 2001 durch die Süssmuth-Kommission gefordert wurde, nicht
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