Neuland
wunderschönen Babys und wegen der mutigen Frau, die es zur Welt gebracht hat, einer Frau, mit der ihn seit dieser letzten Nacht, seit dieser wunderbaren und furchtbaren Nacht, ein neuer, ewiger Bund verband, so kam es ihm vor. In der neunten Stunde hatte sie ganz fest seine Hand gedrückt und plötzlich zu Gott geschrien, an den sie nicht glaubte, und er hatte sich an sie gedrückt und ihr ins Ohr gebrummt: Ich liebe dich, und ich bin da, ich liebe dich, und dann hatte die Hebamme gesagt, ich seh schon seinen Kopf, hier, er kommt –
Und was war noch gewesen, seit der Geburt? Er hatte versucht, neuere Momente zu finden, nicht aus der Vergangenheit. Doch alle Bilder lösten sich auf dem Weg ins Bewusstsein auf, und stattdessen kamen die anderen, die er schon lange in den Ecken seines Gedächtnisses weggeschlossen hatte; bei dieser immer länger werdenden Reise tauten sie auf: Hier sind sie zu dritt, essen zu Abend, vor ein paar Wochen, und Roni erzählt ihm von diesem Dani Kuris aus ihrem Jahrgang an der Uni, der gerade für den Postdoc nach Connecticut gegangen ist, und sagt, weißt du, was das Verrückte daran ist? Dass er so viel weniger begabt war als du! Und er sagt: Naund? Und sie sagt: Nur so. Und er beherrscht sich, wird nicht laut vor dem Kind, als er sie daran erinnert, dass es seine bewusste Entscheidung gewesen sei, nicht an der Uni zu bleiben, denn er wollte etwas bewegen, wollte das schlagende Herz des Lebens berühren, anstatt es nur durch die dicken Brillengläser des Forschers zu betrachten, und er fügt hinzu, es nervt mich langsam, dass du diese Option immer wieder erwähnst. Wie würdest du dich fühlen, wenn ich deine Arbeit so gering schätzen würde? Und sie sagt: Aber du achtest ja das gering, was ich mache, das verstehe ich auch, ohne dass du es aussprichst. Du denkst, ich vermarkte alles mögliche sinnlose Zeug. Und du hältst dich für besser als mich, nicht nur als mich, du hältst dich für besser als alle. Er sagt, das stimmt nicht, aber komm, dieses Gespräch müssen wir nicht vor dem Kind führen. Und nachdem Neta eingeschlafen ist, endlich eingeschlafen, nach dreimal Aufstehen und Pipimachen, zweimal davon falscher Alarm, fragt er sie, ob sie einen Tee trinken will, wie ein Indianer, der seinem Gegner die Friedenspfeife anbietet, und danach, beim Teetrinken, sagt er ihr, das Wichtigste sei doch, dass sie mit dem, was sie macht, zufrieden ist. Darauf komme es an. Und er sei sehr stolz auf sie, auf die Art und Weise, wie sie sich durchsetzen könne, und welche Einstellung sie zu ihrer Arbeit habe, er höre manchmal, wie sie mit den Leuten dort rede, und dann denke er, er würde gerne unter ihr arbeiten. Das ist keine gute Idee, unterbricht sie ihn, ich würde dich die ganze Zeit sexuell belästigen, und sie schiebt nach: Ich habe erfahren, dass der Neffe eines meiner Abteilungsleiter ein Schüler von dir ist, der hat wunderbare Dinge über dich gesagt und dass du ein richtiges Vorbild für sie gewesen seist. Was meinst du, meldet sich in ihm eine Stimme, warum sind alle Komplimente, die du mir machst, immer nur Zitate anderer? Doch er sagt nichts, will nicht die gemeinsame Bemühung torpedieren, die krasse Realität, die zuvor beim Streit ans Licht kam, mit anderen Dingen zu verschleiern, die ebenfalls auf ihre Art wahr sind. Und dann kommen sie auch schon auf Neta, berichten einander seine neuesten klugen Sprüche, erzählen von seinem Charme, seinenKränkungen und seinen Wehwehchen, analysieren sein Handeln bis ins Letzte, als wäre er mindestens der Kaiser von China.
Siehst du, hatte er sich gesagt, das ist der Antikörper, das ist der gemeinsame Moment, den du in der Gegenwart gesucht hast. Neta ist der schöne gemeinsame Moment, der dich jetzt mit Roni verbindet. Neta, wie er von jedem von uns eine Hand hält und losläuft, Engelchen, Engelchen, flieg. Neta, wie er uns freitags entgegenrennt, am einzigen Tag, an dem wir ihn zusammen vom Kindergarten abholen. Neta, wie er dir ein Geheimnis ins Ohr sagt, aber ganz laut, damit auch Mama es hört. Neta, der Shampooverweigerer, der sich auch weigert, einen Pyjama anzuziehen. Der nicht glaubt, dass es in seinem Zimmer keine Monster gibt, und dich bittet, dich neben ihn zu legen, bis sie alle aus dem Zimmer sind. Neta, der endlich sein Embargo aufgehoben hat und vor ein paar Nächten bereit war, am Telefon mit dir zu reden. Also, wo bist du jetzt, Papa? Wo auf dem Globus ist Bolivien? Hast du da ein anderes Kind? Ich dachte, dass du
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