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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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wollte, etwa ein Viertel ging, und unter denen, die blieben, begann so ein unzufriedenes Gemurmel. Wie gesagt, dein Vater weiß, wie man Vorträge hält, und so verkündete er, die Zeit, die Dafna ihm zugestanden habe, sei um – ich hatte ihm überhaupt keine Zeit vorgeschrieben –, und deshalb müsse er nun einiges überspringen und komme gleich zu seinem Schlusssatz: Er sei auf dem Weg nach Argentinien, wo er ein Pionierprojekt beginnen werde, das erste seiner Art, über das er sich in dem gegebenen Zeitrahmen nicht weiter auslassen könne. Wer sich aber von der Chance, sein eigenes Leben und seine Gesellschaft wirklich zu verändern, angesprochen fühle, solle sich im Anschluss persönlich an ihn wenden, um weitere Informationen zu erhalten. Das war’s. Dann setzte er sich auf seinen Doktor Gav , trank sein Soda und wartete.
    Und, sind Leute gekommen?
    Nicht viele, fünf oder sechs vielleicht. Die meisten spielten weiter Karten oder planten die nächste Etappe ihrer Reise. Aber die, die zu ihm gingen, fuhren am nächsten Tag mit ihm zusammen ab – soviel ich weiß nach Argentinien.
    Das Baby machte Geräusche der Unzufriedenheit, und Dafna meinte, sie müsse das Gespräch jetzt leider beenden, denn Iris brauche ihren Mittagsschlaf.
    Da hat sie völlig Recht, sagte Dori: Manchmal glaube ich, wenn alle Erwachsenen Mittagsschlaf machen würden, gäbe es keine Kriege mehr auf der Welt.
    Du bist … wesentlich sympathischer als dein Vater, weißt du das?, sagte Dafna, und in ihren Augen leuchtete etwas auf.
    Dori ging nicht darauf ein, und Inbar fragte sich, ob er wirklich nicht merkte, dass Dafna gerade mit ihm flirtete, oder ob er nur so tat.
    Der Mann, den du getroffen hast …, sagte er zum Schluss, das ist nicht richtig mein Vater. Das heißt, er ist schon mein Vater, aber er ist anders. Irgendwas hat ihn verändert auf seiner Reise.
    Das Baby gab nun Laute fortgeschrittener Not von sich. Ja, das ist auch mein Eindruck, sagte Dafna. Hör mal, sagte sie und wiegte ihre Tochter ein bisschen, ich will keine Panik machen, aber ichfinde es … sehr gut, dass ihr ihn sucht, und – nun schaute sie von Dori zu Inbar – wenn ihr meine Hilfe braucht, bei eurer weiteren Suche, helf ich euch gern.
    *
    Als sie ins Restaurant zurückkamen, saßen die drei Ärzte immer noch am Tisch, und Guy schaute sie erwartungsvoll an.
    Dori warf ihnen einen kurzen Blick zu und sagte: Ich gehe zurück ins Hostel.
    Sein Ton klang separatistisch, und so sagte Inbar: Ich glaube, ich bleibe noch.
    Kein Problem, sagte er, und es klang wie: Was läuft denn schon zwischen uns. Keine Vergangenheit, keine Verpflichtung, kein gar nichts. Mach, was du willst.
    Da ist doch ein Problem, wollte sie antworten, denn es ist ein Problem, wenn du eine Frau an dich ziehst, sie beim Tanzen an dich drückst, und ihr dann die kalte Schulter zeigst. Es ist ein Problem, wenn du eine Frau bittest, dich auf deiner Reise zu begleiten, und sie dann behandelst, als sei sie eine Last. Es ist ein Problem, dass du die bleiche Spur deines Eheringes am Finger trägst, dich aber manchmal so benimmst, als gäbe es sie nicht. Es ist ein Problem, dass alles klein und unwichtig wird gegenüber dem, was deinem Vater passiert. Es ist ein Problem, dass du die Information, die du heute bekommen hast, mir zu verdanken hast, dabei aber so tust, als hätte ich dir etwas Böses getan. Es gibt verdammt viele Probleme, wollte sie antworten, spürte aber, dass das töricht wäre. So töricht wie die ganze Sache zwischen ihnen. Rannte sie nicht wieder, als hätte sie nichts aus dem Verhältnis mit Hoffmann gelernt, offenen Auges in die Glastür?
    Dann bye, sagte er und biss sich auf die Lippe.
    Zum Teufel mit diesem Lippenbeißen, dachte sie, soll er doch endlich ausbrechen lassen, was aus ihm ausbrechen will, und sagte: Bye.

Dori
    Plötzlich, beim Schnitzel, hatte ihn glühender Neid auf diesen Guy gepackt. Der, mit seiner schmalen Brille, dem langen Haar und seinen weiten gestreiften Hosen – der konnte, der durfte, der hatte nicht Frau und Kind, und dieser Neid war so unerträglich, dass er nur noch wegwollte, bevor er aus ihm ausbrechen und ihm wie gelbe Lava vor aller Augen aus dem Rachen spritzen würde, doch er war mit ihnen am Tisch sitzen geblieben, war der Aufgabe, seinen Vater zu finden, dem Bild des Lehrers, seiner Herkunft treu geblieben, und hatte im Stillen Vorwürfe und Kritik an Inbar zusammengesucht, hatte die Augen zusammengekniffen und versucht zu sehen, was an ihr

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