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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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vollkommene Brust heraus und schob ihre Spitze zum Mund des Babys. Inbar konnte den Blick nicht abwenden. Sie hatte schon Frauen stillen sehen, im Park nicht weit von ihrer Wohnung, aber da hatte sie immer weggeschaut.
    Kurz gesagt, fuhr Dafna mit etwas heiserer Stimme fort, er fing wirklich mit Kreativität in Krisensituationen an. Gab ein paar Beispiele von Firmen, die er beraten hat. Ich glaube, er erzählte von einem Kibbuz, der am Auseinanderbrechen war, weil seine Schuhfabrik geschlossen wurde, und dann haben die Leute dort sich ganz neu orientiert, in Richtung Erziehung, das heißt, sie haben gleich mehrere Kindergärten aufgemacht und Bewohner des ganzen Umkreises angezogen.
    Dori nickte, als kenne er dieses Beispiel schon.
    Na ja, und dein Vater, das weißt du bestimmt, der kann eben mit Publikum. Bevor er den Mund aufgemacht hat, waren sie wegen seines Aussehens noch etwas reserviert, mit dem Bart und so. Aber als er zu reden anfing, wurde es ganz still. Und nachdem er mit den Beispielen über die Firmen fertig war, begann er, von sich zu erzählen. Da ist sogar meine Iris still geworden und hat ihn angestarrt. Er erzählte, dass vor einiger Zeit seine Frau … das heißt … deine Mutter gestorben ist. Er sagte, sie sei die Liebe seines Lebens und die »Wurzel seiner Seele« gewesen, und dass er wegen ihres Todes in eine Riesenkrise geraten sei. So sehr, dass alles, was er erreicht habe, und sogar sein eigenes Leben ihm nun wertlos erschien. Er sei immer tiefer gesunken und habe nicht gewusst, wie er sich aus dieser Krise herausziehen solle, bis er verstand, dass er das machen musste, was er immer anderen geraten habe: aufhören, aus der Krise herauskommen zu wollen, sondern sie vielmehr als Chance betrachten. So habe er sich entschlossen, nach Südamerika zu reisen.
    An dieser Stelle hingen die Leute schon an seinen Lippen. Aber dann, statt weiter von sich oder von seiner Reise zu erzählen, fing er plötzlich an, von den Zuhörern zu reden. Er sagte, auch sie hätten einen mutigen Schritt getan, indem sie sich für eine Reise nach Südamerika entschieden hätten. Er sagte: Ihr hättet ja auch im üblichen Trott bleiben können: Militärdienst, Studium, der Kredit für eine eigene Wohnung, aber ihr hattet den Mut, diesen Weg zu verlassen. Euch zu überprüfen. Fragen zu stellen.
    Das haben sie bestimmt gern gehört, sagte Dori mit einem Anflug von Spott in der Stimme.
    Ja, sagte Dafna, die inzwischen mit dem Stillen fertig war und sich die Bluse zuknöpfte. Aber das war nur der Köder, dann hat ermit einem Mal den Haken angezogen. Er sagte: Wisst ihr, was euer Problem ist? Dass ihr diese Reise nicht wirklich dazu nutzt, die Geschichte eures Lebens neu zu erzählen. In ein, zwei Monaten fahrt ihr zurück nach Israel, und alles, was ihr auf der Reise gelernt habt, ist verloren. Jemand wird euren Schwung stoppen, und dieser jemand ist niemand anderer als ihr selbst.
    Und es gibt noch ein anderes Problem, sagte er ihnen – daran erinnere ich mich noch gut, denn er erwähnte unser Restaurant: Ihr reist durch Südamerika, nicht wahr? Aber ihr lernt es nicht wirklich kennen. Südamerika ist nur eure Ausrede, euch immer wieder mit euresgleichen im Sabres zu treffen. Euch hinter einem Vorhang dort zu verstecken, wo es vertraut ist. Euch ja nicht etwas anderem auszusetzen, das eure Axiome erschüttern könnte oder eine Wunde wieder aufreißen, die zu verbinden ihr euch so sehr bemüht habt, denn das könnte ja gefährlich werden.
    Schön und gut, dachte Dori, aber was hat er ihnen vorgeschlagen?
    Genau das wollte ich ihn fragen: Was schlägst du denn vor? Aber, wie ich schon sagte, dein Vater ist ein hervorragender Redner. Er hat die Frage selbst gestellt und sie mit einem Wort beantwortet: Neuland.
    Wie bitte?
    Das war in etwa auch die Reaktion der Leute hier. Und dann hat er so eine Pause gemacht, um die Spannung zu steigern, und noch mal »Neuland« gesagt. Er begann von Herzls Vision zu reden und von der Kluft zwischen ihr und ihrer Umsetzung in Israel und dass es hier eine Krise gebe, in der aber gewiss auch eine Chance liege. Ab da bin ich ehrlich gesagt nicht mehr so ganz mitgekommen. Herzl erinnert mich an den Geschichtsunterricht auf dem Gymnasium, und ganz anders als im ersten Teil des Vortrags, der sehr gut verständlich war, ist dein Vater hier ziemlich assoziativ von einem Thema zum nächsten gesprungen. Ein bisschen, als rede er … im Traum. Auch ein Teil der Leute bekam nicht mehr mit, was er genau

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