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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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aber hast du wirklich geglaubt, ich sei ein Mossad-Agent?
    Ja, frag nicht. Ich hatte eine ganze Fantasie dazu.
    Tut mir leid, die zerstört zu haben. Lehrer ist lang nicht so sexy, ich weiß.
    Einspruch. Begeisterung ist sexy. Jeder Mann, der etwas mit innerem Feuer macht –

Inbar
    war überrascht (wenn auch nicht sehr), dass er das Wort sexy benutzte. Wieso plötzlich sexy? Nun gut, er hat es zuerst gesagt, er hat angefangen, dachte sie und schwieg. Sie rückte etwas ab, zum Fenster hin, und sagte sich: Hoffmann hin oder her. Ich muss einfach endlich mit ihm schlafen, und basta.
    Danach schaute sie auf die Werbeposter und versuchte herauszubekommen, was man ihr hier auf Spanisch verkaufen wollte. Ihr kam die Idee für eine Kurzgeschichte: Ein nach dem Krieg nach Buenos Aires geflüchteter Nazi findet eine Stelle bei einem der ansässigen Juden, bis sich der Sohn des Nazis in die Tochter der – Sie holte ihr Heft aus der Tasche und schrieb. Nach einer Weile hob sie den Blick. Sie fuhren durch weite Felder. Eben, monoton und einschläfernd. Das ist nicht Neuland, das ist Niemandsland, dachte sie. Im Radio von Victorcito spielte ein Tango, sie stellte sich vor, wie sie und Dori tanzten, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie man Tango tanzt. Aber es wäre angenehm, sich an ihn zu schmiegen, Wange an Wange, Brust an Brust. Wie in La Paz. Das war sexy gewesen. Doch genug jetzt mit diesem Wort. Sie schaute zu ihm hinüber. Seine Augen waren offen, er summte lautlos ein Lied – eine seiner wenigen Angewohnheiten, die sie nicht so sexy fand. Wären sie ein Paar, würde es sie bestimmt nerven. Woran dachte er jetzt? (Diese Frage würde sie nicht stellen, dennoch wüsste sie es gern. Dem Schatten nach zu schließen, der über seinem Blick lag, und auch, da sein Körper sich nicht mehr zu ihr hinneigte, dachte er wohl gerade an seine Familie. Vielleicht konnte sie, wenn sie sich konzentrierte, seine Gedanken lesen? Manchmal funktionierte das, wenn man so viel Zeit miteinander verbrachte.)

Dori
    Ich fahr auf der Autobahn / die Berührung des Winters liegt in der Luft / hinterm Fenster zieht die Landschaft vorüber / oder zieh ich vorüber an ihr? –
    Radio Dori spielte Danny Robas. Er starrte weiter aus dem Fenster. Sein Körper hatte sich schon an die Unwegsamkeiten der Straße gewöhnt, an den anderen Rhythmus, in dem man atmete, wenn man fuhr, und sein Blick schweifte durch die inneren Landschaften:
    Schon drei Tage hatte er nicht mit Roni und Neta gesprochen und sehnte sich auch nicht nach ihnen. Das heißt, er sehnte sich, aber er verzehrte sich nicht. Die Gedanken an zu Hause lagen verschwommen im Nebel. Ja, irgendetwas war sehr verdorben zwischen Roni und ihm, genauer gesagt im Dreieck Roni–Neta–Dori. Das hatte ihm die Reise klargemacht, oder vielleicht konnte er es sich auch jetzt erst eingestehen. Doch merkwürdigerweise verspürte er nicht den Wunsch, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Vielleicht hatte er einen Wunsch, aber der war stumpf. Alles Begehren, das mit zu Hause zusammenhing, war in den letzten Tagen stumpf geworden. Was dagegen mit Inbar zusammenhing, war – spitz.
    Wie seine Erektion, wenn sie »sexy« sagte; prall von Blut spießte sie die Hose von innen auf. Er setzte sich etwas anders hin, damit es ihn nicht störte, versuchte zu sehen, ob sie was gemerkt hatte. Er wollte, dass sie es merkt. Er wollte sie, hier und jetzt, auf dem Rücksitz. Diese Lippen küssen, mit der Hand durch ihr Haar fahren, sie auf den Rücksitz legen, ihr die Bluse aufknöpfen und die Hose und entdecken, dass alles, was zwischen ihnen war, allein auf dieser Art von Anziehung beruhte. Das wäre so viel einfacher. Aber sie war ja überhaupt am Schreiben. Er betrachtete sie lange. Wie geheimnisvoll sie war, wenn sie schrieb. Sie schaute kurz vom Blatt auf, und für einen winzigen, flackernden Moment trafen sich ihre Blicke, doch dann schaute er weg, zu Victorcito, und bemerktemit Entsetzen, dass dessen schmaler Kopf aufs Steuer gesunken war.
    Hey, schrie er –
    Der schläft!, rief er Inbar zu, sag ihm, er soll anhalten!
    Sie hielten an einer Raststätte. Draußen war es sehr kalt. Der Himmel war klar. Drinnen Sattel, Zaumzeug, Hufeisen und das Zubehör zum Mate-Trinken. Victorcito erklärte Inbar, und die erklärte Dori: Das ist eine Matetasse, das die Thermosflasche, und das hier ist die bombilla , ein Trinkrohr aus Metall, durch das man den Mate trinkt. Dort ist ein Heißwasserhahn, für Leute, die das Equipment

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