Neuland
mitbringen und nur Wasser wechseln wollen. Und dies hier sind die Pflanzen, aus denen man die verschiedenen Geschmäcker des Mate zubereitet. Was möchtet ihr?
Kaffee, antwortete Dori. Inbar hustete, um nicht loszulachen.
*
Es geschieht, wenn der Weg sich zieht . Wenn auf Weizenfeld Weizenfeld folgt und Maisfelder die Sojafelder ablösen, wenn das Schweigen im Auto sich entspannt. Es geschah genau in dem Moment, als Dori dachte: Der Baron Hirsch hat Recht gehabt, in Argentinien gibt es tatsächlich unbevölkerte Gebiete, die geradezu danach schreien, besiedelt zu werden. Es geschah, als seine Augenlider schwer und immer schwerer wurden und seine Stirn sich plötzlich entspannte –
Er ließ seinen Kopf an Inbars Schulter sinken.
Nicht, dass er nicht wusste, was er tat.
Nicht, dass ihm nicht klar war, dass er ab diesem Moment nicht mehr den Arglosen würde spielen können.
Aber er hatte einfach keine Kraft mehr, sich zu widersetzen.
Nessia
betrachtet die Natur nicht gern durchs Autofenster. Natur, das hat sie auf ihren Reisen gelernt, muss man nicht sehen, sondern spüren.
Zum Beispiel die Luft trinken und spüren, dass sie von Sonne gepunktet ist. Einen Baum auf seine Wunde küssen. Zwischen den Regentropfen gehen, nicht als Redewendung, sondern wirklich durch strömenden Regen gehen und versuchen, dass kein Tropfen dich trifft. Einen Stein in eine Pfütze werfen und sehen, wie er immer weitere Kreise zieht. Alle Tiere im Zoo aus den Käfigen befreien.
Auch den Gepard.
Erst nachdem du das getan hast, kannst du zur zweiten Stufe übergehen, wo du verstehst, dass alles sich ähnelt. Zum Beispiel die Äste von Bäumen und die Arme von Menschen. Alles passt zusammen. Etwa der Putzerlippfisch, der unversehrt zwischen den Zähnen eines Haifisches herausschwimmt.
In so einer Welt hast du nur eine Aufgabe: dich einzufügen und immer nur das zu tun, was aus dir selbst herauskommt, etwa einem Mann, der auf der Fahrt den Kopf an deine Schulter legt, den Nacken streicheln, ihn immer wieder streicheln, und trösten, scheiß auf alles andre, ihn streicheln, unendlich sanft.
Lili
hört noch immer manchmal, wie Natan durch die Wohnung geht, hört noch immer, wie er sein linkes Bein etwas nachzieht und dann mit dem rechten, dem starken Bein einen Schritt nach vorne macht. Noch immer kocht sie manchmal aus Versehen für zwei. Vergisst, dass sie nur ein Ei braucht und dass keiner da ist, der diese Mengen süßes Möhrengemüse essen kann. Nein, sie deckt nicht für ihn den Tisch, weder Teller, Messer und Gabel noch das hoheGlas, aus dem er immer sein Wasser trank. Sie ist ja nicht senil, auch wenn sie in den letzten Tagen solche toten Momente hat – Manchmal hört sie Nachrichten und stellt sich vor, was Natan dazu sagen würde. Er hat immer etwas zu sagen gehabt, und immer war es originell und interessant. Manchmal haben die Kommentatoren eine Minute später genau das wiederholt, was er bereits gesagt hatte, und dann zeigte sich an seiner Nasenspitze eine kleine, zufriedene Röte.
Seit er tot ist, interessiert sie sich nicht mehr wirklich für die Nachrichten, und vielleicht fällt ihr deshalb auf, dass die Nachrichtenmacher die Angewohnheit haben, einen Menschen in die höchsten Höhen zu heben, immer noch höher, um ihn danach – Überhaupt sieht sie auch viel weniger fern, seit Natan tot ist. Zusammen fernsehen ist schön. Wenn sie aber alleine schaut, kommt sie sich einsam und verloren vor. Da hat es doch diese australische Serie gegeben. Wie hieß die noch?, verflixt, sie kann sich an den Titel nicht erinnern. Nur noch an die Figur, die sie so gemocht hat: Emily, eine hübsche Frau, erinnerte sie mit ihren schönen Beinen sehr an Esther. Vielleicht hat sie sie deshalb so gemocht. Emily war eine von drei Schwestern, die in Melbourne wohnten. Die beiden anderen Schwestern waren böse und dumm, aber sie war klug und voller Lebensfreude. Immer hatte sie das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengenommen und immer auch interessante Ohrringe getragen. Und dann war sie plötzlich während der dritten Staffel gestorben. Die Schwestern sagten, Emily habe sich einer plastischen Operation unterzogen, bei der Komplikationen aufgetreten seien – aber warum sollte eine so hübsche Frau wie sie eine Schönheitsoperation machen lassen? Was gab es bei ihr zu korrigieren? Vermutlich war der Schauspielerin, die sie spielte, etwas zugestoßen, anders ließ sich das nicht erklären. Ihr Tod kam jedenfalls sehr überraschend. Zu nahe
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