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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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Nablus, auf dem arabischen Markt, zwei Finger weit vom Rahat Lokum von Sa’id. Nach Manhattan hatte ich ein paar entsetzliche Wochen in Francos Folterkeller in Barcelona, und in dem Moment, wo ich dachte, schlimmer kann es nicht mehr werden, hat es mich plötzlich in die zweite Intifada verschlagen. Als Sanitäter bei den Fallschirmspringern. Ein Albtraum. Ich hab da Sachen gemacht, die ein Jude eigentlich nicht tut. Ich sag dir, hätte ich nicht ein bisschen Perspektive gehabt, ich wäre verrückt geworden. Nein, bitte, schau mich nicht so an, als ob du das Rätsel jetzt gelöst hättest. Denk nicht, dort hat alles angefangen, denn das stimmt nicht. Es hat alles angefangen mit dieser grundlosen Gewalt und der Zerstörung des Zweiten Tempels. Genau so, wie ich es dir erzählt habe. Seitdem bin ich unterwegs und verteile lieber grundlose Liebe an nichtjüdische Mädchen und Licht an die Nichtjuden. Edison – wer meinst du denn, hat ihm die Glühbirne überm Kopf angemacht? Und Bell? Und Galileo Galilei? Bei aller Bescheidenheit, aber ohne mich würde die Menschheit noch im Mittelalter stecken. Du meinst, ich übertreibe? Schade. Ich dachte, du wärst anders. Genau deshalb erzähl ich meine Geschichte nicht gern. Denn das ist die Reaktion, die ich immer bekomme. Sie packen mich am Kopf, als wäre ich eine Rübe, und versuchen, mich aus der Erde zu ziehen, um meine psychischen Wurzeln frei zu legen. So ein Quatsch. Wenn ich Wurzeln habe, dann historische. Nicht psychische. Und meine historischen Wurzeln reichen so tief in die Erde, dass sogar Väterchen und alle, die ihn an der Hüfte halten und mitziehen, sie nicht zu fassen kriegen. Der Einzige, der das bisher begriffen hat, ist Meni Peleg. Sie nennen ihn hier »Señor Neuland«, diese Idioten. Mich persönlich erinnert das zu sehr an die Woche, die ich mit den Anhängern von David Koresh in Texas verbracht habe. Deshalb nenn ich ihn Señor Meni. Ihn stört das nicht. Er hat von Anfang an kapiert, dass er seine Regeln bei mir etwas flexibler handhaben muss. Als ich ihm meine Geschichte erzählt habe, meinte er, ich hätte ja schon einen langen Weg zurückgelegt, bevor ich zu ihnen gestoßen sei, und ich hab ihm geantwortet, lang, das ist gar kein Wort dafür, und er sagte, er könne mir nicht versprechen, dass ich mich hier zu Hause fühlen würde, denn er verstehe, dass es gegen meine Natur sei, mich irgendwo zu Hause zu fühlen, er hoffe aber, dass Neuland eine der bedeutsameren Stationen meiner Reise sein werde. Cool, hab ich zu ihm gesagt, warum nicht? Das war das Ende meines Aufnahmegespräches. Dann hat Sara gesehen, dass ich auf dem Fragebogen in der Rubrik »Begabungen« »Zeichnen« angegeben habe, und so bat sie mich, einen Planskizze für die Gäste zu machen. Da gab es hier fast noch gar nichts. Nur Ideen und guten Willen. Auf meiner ganzen Wanderschaft bin ich noch nie so vielen Leuten mit gutem Willen begegnet. Ich hab den Ort so gezeichnet, wie Meni mir erklärt hat, dass er sein würde. Und ich habe auch ein Schwimmbad skizziert, das es in seinem Plan überhaupt noch nicht gab, denn ich fand, das wäre eine schöne Geste gegenüber dem Kibbuz. Auch da bin ich gewesen, ja klar. In En Harod, aber das war genau in der Zeit der ideologischen Spaltung, und ich konnte mich nicht entscheiden, weil ich den großen Unterschied nicht kapiert habe; alle sagten, du musst Stellung beziehen, du musst Stellung beziehen, wie kann es sein, dass du keine Meinung dazu hast. So hab ich mich ziemlich gefreut, als es mich an einen Kanal in Amsterdam verschlagen hat. Jedenfalls wird der visionierte Plan, den ich von Neuland gezeichnet habe, nach und nach verwirklicht, wie du siehst. Sogar den Pool gibt es schon.
    Beeindruckend, sagst du? Ich finde das eher beunruhigend. Warum? Weil Meni mir und überhaupt allen gesagt hat, dass es der Grundgedanke dieses Ortes sei, ein wanderndes Schattenlager zu sein, so wie ein Schattenkabinett. Und kein neues Territorium. Ein Exil- Sanhedrin , der immer wieder woanders einberufen wird. Aber ich habe das ungute Gefühl, dass ihm sein Kaktus inzwischen in den Kopf gestiegen ist und er seine Meinung geändert hat und jetzt hier so eine Art Ministaat errichten will. Und das, muss ich sagen, gefällt mir überhaupt nicht. Ich habe schon einen Staat. Nach allem, was in Nablus passiert ist, sehe ich nicht, dass ich dort in nächster Zukunft werde leben können, das stimmt. Aber wie sage ich immer? Zu Hause, das ist nicht der Ort, wo du lebst,

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