Neuland
Idiot, sagte Dori, stürmte an ihm vorbei und rannte mit Inbar durch die Allee der Paraíso -Bäume zum Farmhaus, und zusammen stürzten sie ins Büro seines Vaters.
Sein Vater hob gemächlich den Blick von dem Buch, das er las – seine Füße ruhten auf einem Schemel, und er fragte: Na, habt ihr eure »dringenden« Telefonate schon gemacht?
Da ist Krieg, sagte Dori, außer Atem. An der libanesischen Grenze. Sie feuern Raketen auf Haifa.
Das überrascht mich nicht. Sein Vater seufzte. Bei uns muss man ab und zu einen Krieg anzetteln, um davon abzulenken, dass es keine Vision gibt.
Woher weißt du denn, wer den Krieg angefangen hat?, fragte Dori zornig, ich hab dir doch gerade erst davon erzählt.
Sein Vater schwieg und streichelte leicht über seinen Poncho. Trinkt ihr Mate?, fragte er, indem er auf den Samowar in der Ecke des Zimmers deutete. Ich wollte mir gerade welchen aufgießen.
Stimmt es, was David uns am Tor erzählt hat? Dori ignorierte die Einladung seines Vaters.
Was hat er erzählt? Seelenruhig goss sein Vater Wasser in die Matetasse, nahm ein Stück Zucker in den Mund und sog an der bombilla .
Dass du ihnen gesagt hast, sie sollen nicht in diesen Krieg gehen, denn was sie hier machen, sei wichtiger.
Ich sage ihnen nicht, was sie tun und lassen sollen. Ich kann ihnen nur die Information weitergeben, die ich in meinen Visionen bekomme.
Und die lautet?
Dass es sich um einen überflüssigen Krieg handelt, der überhaupt nichts verändern wird.
Woher weißt du das, Papa? Bist du total verrückt? Hörst du überhaupt, was du da sagst? Wer bist du denn, um zu beurteilen, ob dieser Krieg sinnvoll ist oder nicht? Bist du ein Prophet? Der Messias? Wenn wir im Land wären, könnte ich eine Zwangseinweisung für dich erwirken.
Dann haben wir ja Glück, dass wir nicht im Land sind, sagte sein Vater mit einem Anflug von Spott und legte die Füße wieder auf den Schemel.
Natürlich, ein Glück, dass wir nicht im Land sind. Es ist auch viel bequemer, die Symptome zu bekämpfen und nicht die Krankheit. Es ist viel bequemer, hier zu sitzen und über eine Vision zu reden, statt sich die Hände schmutzig zu machen.
Das ist nur eine Art, die Dinge zu sehen, Dorinju.
Und was ist die andere Art?
Dass man keine neue Vision entwerfen kann, solang man im alten Sumpf steckt. Es gibt Situationen, da muss man auf den Berg Nebo steigen, um weit und klar zu sehen.
Wie kommst du denn jetzt auf den Berg Nebo? Du sitzt in Moisés Ville, in einem jämmerlichen Städtchen in Argentinien, das Teil eines jämmerlichen Projekts des Barons Hirsch gewesen und gescheitert ist. Ge-schei-tert!
Señor Neuland … Vater von Dori – Inbar mischte sich das erste Mal in ihr Gespräch –, ich glaube, jetzt bist du unfair. Einige junge Leute hier himmeln dich an. Alles, was du sagst, nehmen sie an, als wäre es die Lehre vom Berg Sinai. Ich finde, du musst Dori Gelegenheit geben, ihnen eine andere Meinung darzulegen.
Doris Vater steckte einen weiteren Zuckerwürfel in den Mund, nahm einen Schluck aus der Matetasse, fuhr sich mit der Hand über den Bart und sagte nach einem Moment der Stille:
Natürlich, kein Problem. Gewiss, du hast Recht. Dori, ich lade dich ein, deine Argumente in der nächsten Zusammenkunft des Sanhedrin am Freitag vorzutragen.
Aber das sind noch vier Tage, brach es aus Dori heraus, da sind wir nicht mehr hier.
Sein Vater zuckte mit den Schultern, als sage er: Was soll ich machen? Dann sah er Inbar an: Ich dachte eigentlich, dass ihr beide euch hier wohlfühlt, zusammen. Wohin habt ihr es so eilig? Ihr wart doch nur zwei Tage hier. Setzt euch, trinkt Mate, bleibt noch ein bisschen bei mir, dann werdet ihr den Ort und euer eigenes Potenzial tiefer kennenlernen.
Ich war lang genug hier, um zu sehen, dass du psychologische Hilfe brauchst. Jetzt platzte Dori. Und ich sage dir noch etwas:Wenn Mama hier wäre, sie würde sich für dich schämen. Nicht nur, dass du Drogendealer geworden bist. Aber dass dir deine Tochter völlig egal ist, und deine Enkel, die in Gefahr sind. Es kann sein, dass jetzt gerade Raketen auf sie niedergehen, und du sitzt hier ganz cool und trinkst deinen Mate. Mama würde dir das nicht verzeihen.
Aber Mama hat mich doch hierhergeschickt, Dorinju. Sie ist mir in einer Vision erschienen –
Fängst du schon wieder mit diesen Visionen an, Papa, das war ein Drogenrausch.
Dori, ich hab dir das schon erklärt, dieser Trank ist keine Droge, er ist das Tor, durch das man die Welt der Seele
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