Neuland
Fahrtrichtung, und sie saß nicht gerne gegen die Fahrtrichtung, aber sie hatte ein Ziel.
So, how long have you been in Israel ?, fragte sie in dem Moment, als das Gespräch der beiden abebbte.
Two weeks , antwortete die Frau.
And how do you find my country?
Well, antwortete der Mann, der, obwohl es Winter war, eine Schirmmütze trug.
Es stellte sich heraus, dass sie nicht einfach amerikanische Touristen waren, sondern amerikanische Juden, die überlegten, nach Israel auszuwandern.
But why? , wunderte sich Inbar.
Well , sagte der Mann wieder.
Seine Frau übernahm das Gespräch: Jeffrey sagt immer, dass euer Israel das größte Experiment des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Juden in ihrem eigenen Land, that’s something ! So haben wir uns überlegt, das Experiment nicht weiter nur aus der Ferne zu verfolgen, sondern selbst daran teilzunehmen. Um die Wahrheit zu sagen, sagte sie, während sie sich einen Wollflusen vom Rollkragenpulli schnippte, dieser Besuch ist für uns eine Art Vorbereitungsexkursion. Wir wollen vor allem klären, ob es hier genügend Nudisten gibt.
Excuse me? Inbar war sich nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. Ja, sie seien Mitglieder im amerikanischen Nudistenverband, erklärte die Frau, und das sei ein zentraler Teil ihres Lebens. Deshalb wollten sie, bevor sie diesen großen Schritt machten, prüfen, ob es hier eine Community gebe, die sie aufnehmen würde. Und tatsächlich gebe es zwei Vereine, einen bei Haifa, kurz vor Atlit, und einen im Kibbuz Gaash. Doch sei die Community sehr klein, und auch mit der Privatsphäre an den Stränden sei es nicht weit her.
Practically sind wir jetzt mehr durcheinander als vor unserem Besuch, sagte sie abschließend.
The constant dilemma between change and stability , sagte der Mann, als er endlich etwas sagte, und er zog eine Visitenkarte heraus und gab sie Inbar. Falls Sie mal nach Miami kommen, sind Sie zum Schabbat bei uns eingeladen, sagte er, unsere Kinder sind aus dem Haus … ihre Zimmer stehen leer, und … wir nehmen auch angezogene Gäste.
Wenn das so ist, stehn die Chancen gut, dass ich mal vorbeikomme, sagte Inbar und erzählte ihnen von der Delegation undvon dem letzten Interview, zu dem sie fahre, dass es auf Englisch stattfinden werde, was ihr Angst mache, und die beiden ermutigten sie, ihr Englisch sei totally fine , da brauche sie sich keine Sorgen zu machen, und überhaupt verhielten sie sich auf der ganzen Fahrt wie gegenüber einem erwachsenen Menschen und nicht wie gegenüber einer unsicheren Jugendlichen und fragten sie auch, was sie in den beiden ihnen verbleibenden Tagen noch unternehmen sollten. Jerusalem, sagte sie, wenn ich nur eine Woche in Israel hätte, würde ich mindestens fünf Tage in Jerusalem verbringen. Obwohl es da kein Meer gibt?, fragte der Mann skeptisch, und sie sagte – später wusste sie nicht, wie sie darauf gekommen war, vielleicht hatte sie es irgendwo gelesen? –, das ist es ja, es gibt dort ein Meer. Nur bemerken es viele Leute nicht. Es ist das Meer der Erinnerungen. Von jedem höher gelegenen Punkt der Stadt aus kann man es sehen. Wow , lachte die Frau, wenn Sie es fertigbringen zu behaupten, dass es in Jerusalem ein Meer gibt, und dabei so glaubwürdig klingen, bin ich mir sicher, dass man Sie für die Delegation nimmt, und der Mann zog einen grünen Geldschein aus der Tasche und sagte, hier, nehmen Sie die fünfzig Dollar und kaufen Sie sich was Schönes. Inbar weigerte sich, den Schein anzunehmen, doch der Mann bestand darauf und steckte ihn ins Außenfach ihrer Tasche, und bevor sie ausstieg, sagte die Frau, wir drücken Ihnen die Daumen, und der Mann sagte, rufen Sie uns an, wenn Sie ankommen. Inbar winkte ihnen lächelnd und guten Mutes mit der Visitenkarte und marschierte bei Gegenwind ziemlich schnell den ganzen langen Weg bis zur Jewish Agency , doch als sie das Stockwerk erreichte, wo das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte, wurde ihr klar, dass es sich nicht um persönliche Interviews handelte, sondern um ein Gruppengespräch. Jedes Mal wurden fünf Bewerber ins Zimmer gerufen und gemeinsam interviewt. Als Jugend-Delegierte werdet ihr vor allem mit Gruppen arbeiten, deshalb wollen wir euch heute in diesem Setting sehen, erklärte die Vorsitzende des Auswahlausschusses, und in diesem Moment wusste Inbar, dass die Würfel gefallen waren. In Gruppen kam sie entweder zu scheu oder zudominant rüber; es war ihr bisher nicht gelungen, einen Mittelweg zu finden, mit dem sie sich
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