Neumond: Kriminalroman (German Edition)
verdammtes Glück gehabt. Ich war gerade draußen, als ein LKW von der Firma Hygio-Tec vorgefahren ist. Die sind gekommen, um den Krankenhausmüll abzuholen. Den habe ich natürlich noch schnell durchsucht und das hier dabei gefunden.« Er öffnete die Tüte und holte einen blutverschmierten Ärztekittel und ein blutdurchtränktes Handtuch heraus. »Ein paar Minuten später, und das Zeug wäre in der Verbrennungsanlage gelandet.«
Morell musterte das Handtuch und den Kittel. »Gab es in den letzten Tagen irgendwelche Vorfälle, bei denen viel Blut geflossen ist?«, fragte er an Schwester Elvira gewandt.
»Nein, gab es nicht«, redete Oliver, der völlig unter Strom stand, weiter. »Das hat die grantige Schwester am Empfang gesagt, und der Hausmeister, den ich hinter einem Busch beim Rauchen erwischt habe, hat es bestätigt. In den letzten Tagen gab es keine Unfälle und auch keine Notoperationen, mal ganz abgesehen davon, dass das kein OP -Kittel ist. Und außerdem: Wenn er in einer regulären Aktion schmutzig geworden wäre, hätte sein Besitzer ihn doch wohl in die Reinigung gegeben und nicht einfach weggeworfen. Ich glaube eher, dass das hier Schwester Sabines Blut ist.« Er holte Luft.
Morell nutzte die Gelegenheit, um sich an Schwester Elvira zu wenden. »Was sagen Sie dazu? Hat er recht?«
Sie sagte nichts, sondern nickte nur.
»Ich werde den Kittel und das Handtuch gleich ins Labor schicken, damit dort bewiesen werden kann, dass das Schwester Sabines Blut ist. Die Kollegen in Innsbruck sind schon informiert.«
»Du überrascht mich immer wieder aufs Neue.« Morell klopfte Oliver auf die Schulter. »Gut gemacht. Haben wir schon eine Ahnung, wem der Kittel gehört?«
»Ich weiß es«, antwortete Schwester Elvira.
Die beiden Polizisten sahen sie erwartungsvoll an, doch sie sprach nicht gleich weiter, sondern ließ sich erstmal mit einem lauten Seufzer auf ihren Stuhl plumpsen.
»Jetzt machen Sie es nicht so spannend.« Oliver war ganz hibbelig. »Wem gehört er denn jetzt.«
»Dr. Bertoni. Das ist eindeutig einer von seinen. Er lässt sie maßschneidern. Vorne an der Brusttasche müssten seine Initialen eingestickt sein.«
Oliver fuhr mit seinem Finger über die Brusttasche. »Sie hat recht«, sagte er. »Man kann es vor lauter Blut kaum sehen, aber da sind eindeutig ein S und ein B eingestickt.«
»Ich könnte jetzt ein Stück Kuchen vertragen.« Schwester Elvira stand auf und zupfte ihre Uniform zurecht.
»Sind Sie denn gar nicht überrascht?«, fragte Morell. »Sie scheinen nicht wirklich schockiert darüber zu sein, dass Dr. Bertoni vielleicht Schwester Sabine umgebracht hat.«
»Nehmen Sie es nicht persönlich, aber was Männer angeht, schockiert mich schon lange nichts mehr. Und Bertoni ist ein Mann. Einer mit einem hitzigen Temperament noch dazu.« Sie schritt auf den Flur. »Will mich jemand in die Cafeteria begleiten?«
»Wir haben leider zu tun. Essen Sie ein Stück für mich mit«, sagte Morell. »Und tun Sie mir bitte einen Gefallen: Reden Sie mit niemandem über das, was Sie gerade gehört haben. Sie könnten damit unsere Ermittlungen gefährden.«
»Geht beides klar.« Sie verabschiedete sich und ging in Richtung Aufzug. »Männer«, murmelte sie dabei. »Alles Schweine. Eine Frau wäre zu so etwas nie in der Lage gewesen.«
»Glauben Sie wirklich, dass er es war?« Oliver war vor lauter Aufregung ganz hibbelig.
»Wir werden sehen. Der Kittel reicht auf jeden Fall schon mal für eine Festnahme. Danach werden wir seine Wohnung durchsuchen und hoffentlich noch mehr Beweise finden.« Sie gingen zu Bertonis Büro, und gerade in dem Moment, als Morell an die Tür klopfen wollte, fing Olivers Handy an zu klingeln.
»Die Kollegen aus Innsbruck«, sagte er nach einem kurzen Blick auf das Display. »Soll ich … oder soll ich lieber …«
»Geh ruhig ran, ich kümmere mich in der Zwischenzeit schon mal um Bertoni. Komm gleich rein, sobald du fertig telefoniert hast. Wir nehmen die Verhaftung dann gemeinsam vor.« Er öffnete die Tür und betrat das Büro.
»Meine erste Verhaftung.« Olivers Wangen glühten, und er konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken.
»Was haben Sie?«, rief der Arzt gerade äußerst ungehalten in sein Telefon. »Sie können nicht einfach eine Durchsuchung zulassen, ohne mir Bescheid zu sagen … Dann hätten Sie mich halt bei der Visite gestört … Das ist völlig unverantwortlich. Pfeifen Sie sie sofort zurück … nein, Schwester Helen, ich bin
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