Neumond: Kriminalroman (German Edition)
Sanatorium herum. Ich werde mich um das Schwesternzimmer, die Büros und die Zimmer der verdächtigen Patienten kümmern.« Morell nippte an dem Becher und verzog das Gesicht. Kaffee war an sich schon nicht sein Ding, aber dieses Automatengebräu war absolut schauderhaft. »Wonach genau wir suchen, kann ich dir auch nicht sagen. Ich gehe davon aus, dass Schwester Sabine hier im Sanatorium ermordet, anschließend mit einem Schneemobil zur Schlucht gefahren und dort hinuntergeworfen worden ist. Es muss darum irgendwo Spuren geben. Machen wir uns also an die Arbeit. Ach ja – und sei bitte so dezent und unauffällig wie möglich.«
Als Oliver aus seinem Blickfeld verschwunden war, ließ er den immer noch vollen Becher unauffällig in einen Mülleimer wandern. Sein Kopf pochte dabei so sehr, dass er sich kurz überlegte, Schwester Helen nach neuen Tabletten zu fragen, doch nach einem Blick auf ihr genervtes Gesicht entschied er sich dagegen. Sie war immerhin nicht die Einzige, die Zugriff auf Tabletten hatte – darum machte er das Schwesternzimmer zu seiner ersten Station.
»Was macht denn Ihr Kollege hier?«, rief Schwester Helen ihm nach. »Hat der Herr Doktor erlaubt, dass Sie jetzt schon zu zweit hier herumschnüffeln?«
»Der Herr Doktor nicht, aber der zuständige Richter.« Er klopfte auf seine Brusttasche und flüchtete sich in den Aufzug, bevor sie eine Chance hatte, den imaginären Durchsuchungsbeschluss sehen zu wollen.
»Halleluja, was ist denn mit Ihnen passiert?« Schwester Elvira, die ganz alleine an einem Tisch saß und ein Magazin las, schaute ihn mit großen Augen an. »Sie sehen aus, als hätten Sie im Prater als Watschenmann gearbeitet. Was ist passiert?«
»Ich sage nur: angesägter Schlitten und nasse Socken.« Er nieste und ließ seinen Blick durch das kleine Zimmer wandern, das eine Mischung aus Büro, Teeküche und Labor war.
»Ich hoffe, Sie sind wegen der guten Schwarzwälderkirsch hier und nicht wegen der anderen Sache.«
»So gut die Torte auch war, aber ich bin leider wegen dem Mord hier.« Morell taxierte Schwester Elvira. Groß und stark genug, um eine Leiche zu transportieren, war sie. »Ich muss mich hier ein bisschen umsehen.«
»Aber machen Sie mir keine Sauerei.« Sie blätterte in ihrem Magazin herum, das den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Welt der Stars und Sternchen enthielt.
»Sagt Ihnen der Name Jutta Zöbich etwas?«, fragte Morell, während er eine Schublade voller Pflaster und Plastikröhrchen öffnete.
»Zöbich? Ist das nicht dieses Model, mit dem dieser eine Schauspieler seine Frau betrogen hat? Sie wissen schon …«
»Nein, weiß ich nicht. Ist auch nicht relevant. Jutta Zöbich war vor 30 Jahren hier als Krankenschwester tätig.«
Schwester Elvira riss die Augen auf. »Mein lieber Herr Morell. Ich bin gerade mal 39 . Das war nicht sehr charmant.«
»Ich habe nur gefragt, ob Ihnen der Name etwas sagt.«
»Noch nie gehört.« Sie schüttelte den Kopf und blätterte auf die nächste Seite, die eine Horde Hollywood-Schauspielerinnen im Bikini zeigte. »Die sollte man alle zwangsernähren«, murmelte sie, während Morell weiter den Raum durchsuchte.
»Ich habe auch lieber was zum Anfassen.« Er nickte ihr aufmunternd zu und zeigte auf einen kleinen Medikamentenschrank. »Könnte ich vielleicht etwas gegen meine Kopfschmerzen haben?«
»Aber klar doch.« Schwester Elvira stand auf, holte eine Schachtel aus dem Schrank und reichte sie ihm. »Die wirken recht schnell und sind auch ziemlich magenschonend. Am besten wäre es aber, wenn Sie sich einfach ins Bett legen und ausruhen würden.«
»Sobald mein Job hier erledigt ist, werde ich das machen. Aber jetzt muss ich erst …«
Er wurde von Oliver unterbrochen, der schwer schnaufend ins Zimmer gestürmt kam.
»Da sind Sie ja«, rief er völlig außer Atem. »Ich habe Sie schon überall gesucht.« Er hielt sich die Seite und atmete tief ein und aus. Dabei fiel sein Blick auf die Tabletten in Morells Hand. »Wollen Sie die etwa …« flüsterte er. »Wir haben doch vorhin ausgemacht, dass Sie keine …« Mit einer schnellen Bewegung schnappte er sich die Packung und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden.
»Oliver«, zischte Morell und streckte seine Hand aus. »Das geht schon in Ordnung.«
»Ich fühl’ mich nicht ganz wohl bei der Sache. Schauen Sie sich lieber an, was ich gefunden habe.« Er zeigte auf eine große Plastiktüte, die er in seinen Händen hielt. »Wir haben
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