Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
Komma über die Aromaentfaltung verschiedener Hartkäsesorten, je nachdem, ob man sie grob oder fein, von Hand oder in der Maschine raspelte oder schlicht in Streifen oder Würfel schnitt.
»Ich bin für grobes Raspeln«, sagte Anna, nahm ein Holzbrett von der Anrichte und kramte in einer der großen Schubladen nach der Handreibe. »Die Putenbrust schneiden wir in Streifen, und die Eier bereiten wir einen Tick über wachsweich zu.«
»Wow!«, sagte Jolin. Sie hatte sich an den Tisch gesetzt und rührte stoisch in der Salatsoße herum. Diese simple, gleichförmige Tätigkeit wirkte wie ein Rettungsanker und hielt sie davon ab, den Verstand zu verlieren.
»Ich mag nun mal keine harten Dinger«, erwiderte Anna. Sie füllte den Wasserkocher, stellte einen kleinen Henkeltopf auf den Herd, stach drei Eier an und schnappte sich anschließend das Käsestück, wickelte es aus der Folie und zog es in kurzen, druckvollen Bewegungen über die Reibe.
»Damit meinte ich eigentlich deinen Eifer … und weniger die Eier«, murmelte Jolin. Vor ein paar Wochen hätten sie wegen der Zweideutigkeit ihrer Bemerkungen wahrscheinlich einen Lachanfall bekommen, heute Abend jedoch drohte die Stimmung in der kleinen Küche jeden Moment ins Psychotische abzugleiten.
Auch Gunnar schien sich dessen bewusst zu sein. Er verstummte in dem Augenblick, in dem er die Salatschleuder zum Einsatz brachte, und als sie wenige Minuten später am Tisch saßen und den Salat verteilten, wirkte er plötzlich so, als ob er eine ganze Handvoll Beruhigungspillen geschluckt hätte.
Schweigend saßen sie um den Tisch herum und kämpften das Essen in sich hinein. Es war offensichtlich, dass keiner von ihnen großen Appetit hatte. Widerwillig kaute Jolin auf einem Tomatenstück und versuchte sich einzureden, dass das klumpige Gefühl unter ihrem schmerzenden Herzen Hunger war und keine Übelkeit. Immer wieder schielte sie zu ihrem Vater, der ihr direkt gegenübersaß, und hoffte, etwas aus seiner Miene ablesen zu können, doch sein Gesicht behielt stets denselben seltsam unbeteiligten Ausdruck.
Anna leerte ihren Teller als Erste.
»Mhmm, das war lecker«, schwärmte sie.
»Ja, die Eier waren wirklich auf den Punkt«, bestätigte Gunnar. »Außerdem war es eine ziemlich gute Idee, den Käse grob zu raspeln.«
»Von Hand«, betonte Anna.
»Also, ich kann nicht mehr«, sagte Jolin. Sie ergriff den noch nicht einmal halb leergegessenen Teller und schoss von ihrem Platz hoch. »Ich muss erst mal ’ne Runde schlafen.«
Gunnar brummte etwas Unverständliches, für die Dauer eines Lidschlags ruhte sein Blick auf ihr, dann war er auch schon wieder fortgeglitten.
Anna räumte den Tisch ab, während Jolin überlegte, was sie mit dem restlichen Salat auf ihrem Teller machen sollte. Weder wegschmeißen noch abdecken und in den Kühlschrank stellen, kamen ihr richtig vor, und so ließ sie ihn schließlich einfach auf der Anrichte stehen und eilte der Freundin voraus in ihr Zimmer.
»Nicht abschließen«, wisperte sie, während sie sich ihrer Jeans und des Pullis entledigte und mit T-Shirt, Unterhose und Socken bekleidet unter die Decke kroch.
»Was machst du denn?«, erwiderte Anna. »Wir können doch nicht den ganzen Abend im Bett liegen und …«
»Hast du eine bessere Idee?«, fiel Jolin ihr ins Wort und deutete zum Fenster. »Außer, dort rauszugehen … und Vampire zu jagen?«
Anna schüttelte den Kopf. Sie setzte sich auf die Bettkante, knetete ihre Unterlippe und nagte mit den Zähnen daran herum. »Was sollen wir bloß tun?«
»Keine Ahnung.«
»Vielleicht wäre es gut, mit jemandem zu reden.«
»Mit wem denn?«
»Vielleicht doch mit … deinem Vater«, sagte Anna und sah Jolin an, als ob sie für diesen Vorschlag eine körperliche Züchtigung verdient hätte. »Ich meine, eigentlich ist er doch immer so sachlich … und so vernünftig«, fuhr sie fort. »Du hast selber gesagt, dass er die Fähigkeit besitzt, die Dinge von allen Seiten zu betrachten, bevor er ein Urteil fällt. Und dass er dir nie in etwas reinredet«, fügte sie beinahe trotzig hinzu.
»Ja«, sagte Jolin nur.
Auf Annas Stirn bildete sich eine Steilfalte. »Aber?«
»Zuerst muss ich wissen, was das für ein Anruf war.«
»Und wenn du es weißt, wirst du dann mit ihm reden?«
»Vielleicht.«
»Okay. Und wie willst du herausfinden, was das für ein Anruf war?«, fragte Anna ein wenig ungeduldig.
»Indem ich den AB abhöre«, sagte Jolin. »Heute Nacht, wenn Paula und Gunnar
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