Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
geriet ins Schlingern. Hastig legte Rouben die Hand aufs Lenkrad zurück und gab kräftig Gas, damit der Wagen wieder in die Spur zurückfand.
»Sag mal, wo hast du eigentlich deinen Führerschein gemacht?«, rief Jolin erschrocken.
»So schlecht fahre ich ja nun auch wieder nicht«, verteidigte er sich. »Ich hätte mich bloß besser auf die Fahrbahn konzentrieren sollen, statt mich von deinem Anblick ablenken zu lassen.«
»Entschuldige bitte, aber ich hab das vollkommen ernst gemeint«, erwiderte Jolin.
»Ja, denkst du etwa, ich nicht?«
Jolin sah ihn an. »Du bist auch wunderschön«, krächzte sie. »Trotzdem wüsste ich gerne, wann und wo du so schnell deinen Führerschein gemacht hast«, fügte sie hastig hinzu.
»Ach so.« Seine Augen funkelten, und wieder musste er kichern. »Ich habe einen Crashkurs gemacht«, fuhr er fort und bemühte sich sichtlich um eine ernste Miene. »Nach Weihnachten. Den guten Edmond konnte ich ja leider ebenso wenig behalten wie den schönen C6.«
»Ist sowieso ’n Auslaufmodell«, meinte Jolin abwinkend.
»Ja, leider.«
»Wieso? Ich finde diesen kleinen Alfa sehr chic.«
Rouben nickte. »Ich auch. Und ich schwöre dir, ich liebe ihn fast genauso innig wie dich. Aber später, wenn ich mal ein berühmter Physiker, Architekt oder Geologe bin …«
»Später brauchen wir ein ganz anderes Auto«, unterbrach Jolin ihn. »Weil wir nämlich ziemlich viele Kinder haben werden.«
Jetzt grinste Rouben offen und breit. »Aha. Und an wie viele hast du da so gedacht?«
Jolin kreuzte die Arme vor der Brust und schürzte die Lippen. »Na ja: Robert, Raoul, Renata …«, begann sie mit ihrer Aufzählung.
»… Jana, Jette und Jasper«, fügte Rouben glucksend hinzu.
Jolin merkte, wie sie sich entspannte. Die Flachserei hatte den Groll, den sie gegen ihre Mutter hegte, erfolgreich in den Hintergrund gedrängt. »Ja klar, und alle sehen aus wie du«, meinte sie schmunzelnd.
»Nee, nee, nur die, deren Namen mit R anfangen«, widersprach Rouben. »Jana, Jette und Jasper sehen natürlich dir zum Verwechseln ähnlich.«
Jolin sah ihn an und lachte. »Du bist so … so …«
»Was?«
»… ein alberner Blödmann eben.«
»Na, vielen Dank.« Rouben bremste und lenkte den Wagen an den Straßenrand.
»Was ist denn jetzt wieder los?«, fragte Jolin.
»Nichts weiter.«
Er sah sie an, und seine Augen strahlten wie zwei Bernsteinsonnen.
Jolin wurde schwindelig. Augenblicklich polterte ihr Herz wieder los. »Und warum hältst du dann hier an?«
»Darum«, sagte er leise, strich mit dem Handrücken über ihre Wange und küsste sie zärtlich auf den Mund. »Weil ich so wahnsinnig glücklich bin.«
Sie betraten das alte Gebäude des Albert-Schweitzer-Gymnasiums durch den Hintereingang, da dieser näher bei den Parkplätzen lag. In den ersten beiden Stunden stand der Englisch-GK bei MrTurner auf dem Programm.
»Wohin geht eigentlich die Studienfahrt?«, fragte Jolin. Die Abstimmung darüber hatte während ihrer Abwesenheit stattgefunden, und bis zu dieser Sekunde hatte sie sich auch nicht für das Resultat interessiert.
»Rumänien«, sagte Rouben trocken.
»Was?«
»Ja, Schloss Dracula.«
»Aber das stand doch gar nicht zur Auswah…« Jolin brach ab. Grimmig verzog sie das Gesicht und boxte ihn in den Bauch. »Duuu!«
Rouben stöhnte theatralisch auf. »Was ist los? Warum schlägst du mich?«
»Das weißt du ganz genau: Weil du es verdient hast.«
»Finde ich nicht.«
»Arroganter Kerl!«
»Ich finde, ich habe etwas ganz anderes verdient«, sagte Rouben und drückte sie an sich.
»Okay, aber erst, wenn du mir verrätst, wo die Reise tatsächlich hingeht«, beharrte Jolin und bog ihren Hals zurück, damit er sie nicht einfach küssen konnte.
»Irland.«
»Dublin?«
»Ja, als festen Standort.«
»Das ist aber teuer«, sagte Jolin. »Ich weiß gar nicht, ob sich das jeder leisten kann.«
Rouben hob die Schultern. »Es wurde so beschlossen. Sogar mit einer Zweidrittelmehrheit. Ach, übrigens«, setzte er hinzu. »Wer will, kann in diesem Halbjahr Wipo zusätzlich belegen.«
Jolin zog eine Schnute. »Zusätzlich? Ich weiß nicht«, sagte sie gedehnt.
»Ich hab mich eingeschrieben«, sagte Rouben. »Und Anna auch.«
»Anna?« Jolin spürte einen feinen Stich unter dem Brustbein. Sie wusste, dass es dumm und albern war. Rouben liebte sie, und Anna würde ihr niemals dazwischenfunken. Nicht einmal Klarisse würde das noch tun – da war Jolin sich nahezu
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