Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
auch nie werden, trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass sie Klarisses Art irgendwie ins Herz geschlossen hatte. Das bedeutete allerdings noch lange nicht, dass sie ihr jemals vorbehaltlos vertrauen würde.
»Doch, das hast du«, sagte Jolin. »Zumindest äußerlich hast du dich verändert.«
Klarisses Haare waren noch immer schwarz, inzwischen trug sie anstelle ihrer früheren Mähne allerdings einen kinnlangen, glänzenden Pagenschnitt. Ihre Augen waren weniger auffällig dunkel umrandet, und auch ihr Kleidungsstil hatte sich gewandelt. Schwarz war nicht mehr dominierend, stattdessen gaben Bluejeans, Zwanziger-Jahre-Blusen und Chucks den Ton in ihrer Garderobe an.
»Vielen Dank«, erwiderte Klarisse. »Es geht mir trotzdem gut.«
»Und ich bin echt von den Socken«, sagte Jolin. Sie breitete die Arme aus und wiederholte es noch einmal laut und deutlich, damit es auch wirklich jeder mitbekam: »Hey, Leute, ich bin echt total von den Socken!«
Beifall ertönte. Ein paar der Jungs johlten. Intuitiv suchte Jolin Leonharts Blick, und als sie ihn schließlich fand, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Natürlich freute sie sich, dass auch er zu ihrer Begrüßung gekommen war, denn eigentlich belegte er den Spanischkurs. Allerdings sah Leo alles andere als fröhlich aus, sondern blass und ernst. Um seine Augen lag ein tiefer Schatten, und mit einem Schlag wurde ihr klar, dass sie in ihren Telefonaten immer um den heißen Brei herumlaviert waren. Rouben hatten sie mit keiner Silbe erwähnt, sondern nur über Carina gesprochen. Insgeheim war Jolin davon ausgegangen, dass diese ihren Schock inzwischen überwunden hatte und längst wieder zur Schule ging. Der Umstand, dass Leo alleine hier erschienen war, konnte allerdings bedeuten, dass das möglicherweise nicht so war. Höchste Zeit also, dass sie endlich mal ganz in Ruhe miteinander redeten, vor allem auch deshalb, damit sie sämtliche Zweifel, die ihn vielleicht noch immer plagten, so schnell wie möglich ausräumen konnte.
Die Gelegenheit dazu ergab sich am Ende der achten Stunde, als Rouben überraschend verkündete, dass er den Sportunterricht schwänzen würde, um noch ein paar Handgriffe am Haus zu erledigen, bevor es dunkel wurde.
»Du bist doch nicht böse, wenn ich dich nicht nach Hause bringe, oder?«
»Natürlich bin ich das«, sagte Jolin. »Jede Sekunde, die du nicht bei mir bist, ist …«
»… nur halb so interessant?«
»Du hast das mitbekommen?«, fragte sie erstaunt.
»Melanie hat nicht gerade geflüstert«, meinte Rouben.
»Hm«, machte Jolin. »Willst du die Wahrheit wissen?«
Lächelnd legte Rouben seinen Arm um ihren Nacken. »Aber immer.«
»Jede Sekunde, die du nicht bei mir bist, ist eine verlorene Sekunde«, flüsterte Jolin und küsste seinen Hals. »Ich weiß, das klingt extrem unemanzipiert, und deshalb ist es bestimmt auch nicht klug gewesen, es dir zu verraten, besonders weil du ja eigentlich völlig anders über mich denkst.«
»Keine Sorge«, flüsterte Rouben zurück. »Unemanzipiert liebe ich dich fast noch mehr.«
»Du wünschst dir also ein willenloses kleines Frauchen?«, erwiderte Jolin und schenkte ihm einen betont schmachtenden Blick.
Rouben berührte mit seinen Lippen flüchtig die ihren. »Was hast du denn von jemandem mit einer dunklen Vergangenheit erwartet?«
»Dummerweise habe ich mir darüber bisher keine Gedanken gemacht«, seufzte sie.
»Das war bestimmt ein Fehler«, murmelte Rouben und küsste sie abermals eher flüchtig.
»Meinst du wirklich?«
»Auf jeden Fall.«
Jolin schlang ihre Arme um seine Hüften und schmiegte sich gegen seine Brust. »Wie auch immer … jetzt ist es jedenfalls zu spät.«
»Wirklich dumm gelaufen …«, sagte Rouben. »Für dich …«
»Ja, aber vielleicht könntest du mich ja ein wenig versöhnlich stimmen …«
»So?« Rouben runzelte die Stirn. »Und wie?«
»Zum Beispiel indem du mich endlich richtig küsst.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage!«
»Und warum nicht?«
»Weil ich dich unmöglich küssen kann, wenn du es willst. Mir passt es nämlich gerade gar nicht in den Kram.«
»Aha«, sagte Jolin und ließ ihn augenblicklich los. »Na, wenn du meinst. Ich will dir wirklich nicht die Laune verderben. Ich werde mich einfach wieder meinen Fans widmen, bis es dir genehm ist, deine wertvolle Zeit mit mir zu verbringen«, fügte sie spitz hinzu und machte ein paar schnelle Schritte von ihm weg.
»Hey!« Mit einem Satz war Rouben hinter ihr. Er fasste sie am
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