Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
war.
»Ich glaub einfach nicht, wie sie dich bemuttert!«, schimpfte Jolin, kaum dass sie sich auf den Beifahrersitz des Alfas geworfen hatte.
»Ich finde, sie ist einfach nur nett«, sagte Rouben. Er ließ den Gurt einrasten und startete den Motor.
»Und du bist ein Schleimer.«
»Na hör mal, ich hab doch gar nichts gemacht«, verteidigte er sich. »Hätte ich ihr das Schulbrot wieder zurückgegeben, hätte ich sie tief beleidigt.«
Jolin schob die Hände in die Ärmelsäume ihres Mantels. »Ich fühl mich total zerschlagen«, murmelte sie. »Und kalt ist mir auch.«
»Dabei müsstest du eigentlich glühen, so zornig wie du gerade bist«, sagte Rouben. Er setzte den Blinker, und während er den Wagen in den laufenden Verkehr einfädelte, warf er ihr einen besorgten Seitenblick zu. »Alles in Ordnung?«
»Nein. Meine Hände sind völlig unbrauchbar …«
»… weil sich die Muskulatur erst wieder aufbauen muss …«
»Außerdem geht mir meine Mutter auf den Zwirn.«
»Sie meint es doch nur gut«, sagte Rouben.
»Ach, sie soll mich einfach in Ruhe lassen«, knurrte Jolin. »Und dich auch!«
»Ich verstehe dich nicht«, erwiderte er. »Ich wünschte, ich hätte so eine Mutter wie sie gehabt. Ramalia war immer so kalt, und sie hat nur sehr widerwillig für mich gesorgt.«
»Woher willst du das denn wissen?«, erwiderte Jolin. Sie hatte angefangen, in ihrer Tasche zu kramen, weil sie plötzlich das Gefühl überkam, dass sie ihren Taschenrechner vergessen hatte.
Rouben zuckte mit den Schultern. »Egal, was sie mir zu essen gemacht hat, es ist immer roh gewesen. Brot, Fleisch, Gemüse.«
Jolin schüttelte sich. »Rohes Gemüse – igitt. Und Brot erst!« Sie tippte auf das Alupäckchen, das aus Roubens Jackentasche lugte. »Da kann ich ja nur hoffen, dass meine Mutter das Brötchen ordentlich durchgebraten hat.«
Rouben legte den Kopf gegen die Nackenstütze und kicherte. »Du bist wirklich witzig.«
»Überhaupt nicht«, brummte Jolin. »Das ist der reine Sarkasmus. Du merkst es bloß nicht … Wegen deiner dunklen Vergangenheit.«
»Kann es sein, dass du heute ganz generell etwas streitlustig bist?«, fragte er seufzend.
»Keine Ahnung. Ich glaube, ich bin einfach nur ein bisschen nervös.«
Rouben lachte laut heraus. »Jetzt sag nicht, wegen der Schule?«
»Was ist daran so lustig? Ich war ewig nicht mehr dort.«
Rouben nickte. »Jaaa, du hast ein echtes Defizit.«
»Vor allem hatte ich vor den Weihnachtsferien noch keinen Freund«, entgegnete Jolin. Sie fand den Rechner im Seitenfach und ließ die Tasche stöhnend in den Fußraum zurückgleiten.
»Außerdem warst du ein reizbares, knochiges und alles in allem ziemlich unverträgliches Einzelgängerwesen.«
Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?, lag es Jolin auf der Zunge zu sagen, doch sie schluckte diesen Kommentar hinunter. Sie wollte nicht darüber reden, ohnehin dachte sie nicht gern an die letzten Monate des vergangenen Jahres zurück. Rouben hatte absolut recht: Sie war tatsächlich unausstehlich gewesen, und sie war froh, dass diese Phase, die sie insgeheim ihre Kokonzeit nannte, endlich vorbei war. »Zum Glück bist du gekommen und hast mich daraus befreit«, sagte sie leise.
»Nee, nee«, meinte Rouben kopfschüttelnd. »Das warst du ganz allein. Ich hatte schließlich – wie du weißt – ausreichend mit mir selbst zu tun.«
»Auch ein Glück«, erwiderte Jolin. »Hättest du nämlich mehr Zeit gehabt, mich richtig anzuschauen, hättest du dir die Sache garantiert noch mal überlegt.«
»Für mich bist du das schönste Mädchen der Welt«, sagte Rouben leise.
»Das meine ich doch gar nicht«, sagte Jolin viel zu harsch. Das unerwartete Kompliment hatte sie verlegen gemacht. Sie neigte den Kopf nach unten, damit ihre Haare die Röte auf ihren Wangen verbargen. »Sondern, weil ich so knochig war.«
»Hey.« Rouben legte seine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Du bist humorvoll, mutig, sensibel, eigenständig …«
»Eigen willig .«
»Das ist keine schlechte Eigenschaft.«
»Reizbar.«
Rouben lächelte. »Nobody is perfect.«
»Doch, du«, sagte Jolin. Du bist der absolute Wahnsinn, dachte sie. Und deshalb habe ich dich eigentlich auch gar nicht verdient.
Sie sahen sich an, und da war sie plötzlich wieder, die gleiche atemberaubende Wärme, die sie gespürt hatte, als sie zum ersten Mal ihre Hände ineinanderlegten. Jolins Herz klopfte wie verrückt.
Hinter ihnen hupte es. Der Alfa
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