Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
wirst dich jetzt verdammt nochmal endlich zusammenreißen«, ermahnte sie sich. Sie stellte das Telefon zurück, hob ihre Tasche auf und ging in ihr Zimmer. Nachdem sie ihren Schreibtisch aufgeräumt, die herumliegenden Kleidungsstücke in den Schrank zurückgelegt und geduscht hatte, ging es ihr besser. Sie brachte es sogar fertig, sich ein wenig von dem Auflauf, den Paula im Kühlschrank deponiert hatte, aufzuwärmen und sich über deren kurze Nachricht zu freuen.
Jolin, Schatz,
ich fänd es schön, wenn wir versuchen würden, besser miteinander auszukommen.
Ich will dich nicht bevormunden, und du musst mir auch nicht mehr alles erzählen, aber lass mich dich doch noch ein wenig bemuttern – ja?
Ma (ich hab dich lieb)
Kurz nach halb neun meldete Anna sich auf dem Handy.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Jolin wahrheitsgemäß. »Rouben und ich, wir haben unseren ersten Beziehungsstress.«
»Das kommt in den besten Familien vor … würde meine Mutter jetzt sagen«, meinte Anna. »Willst du drüber reden?«, setzte sie nach einer kleinen Pause hinzu.
»Das klärt sich schon«, erwiderte Jolin. »Ich war sauer, weil ich ihm nicht am Haus helfen darf.«
»Sind deine Hände denn dafür überhaupt schon wieder zu gebrauchen?«
»Natürlich nicht.«
»Siehst du«, sagte Anna. »Recht hat er. Er meint es nur gut.«
Jolin schnaubte leise. »Er bestimmt die Richtung.«
»Das musst du nicht zulassen.«
»Werde ich auch nicht«, sagte Jolin entschieden. »Ich konzentriere mich jetzt auf mich. Auf die Schule und …«
»Auf mich?«, fragte Anna hoffnungsvoll. »Ich meine, nachdem ich es war, die sich von dir abgewandt hat, habe ich eigentlich kein Recht, aber …«
»Es geht doch nichts über eine gesunde Portion Selbstkritik«, meinte Jolin schmunzelnd. Es tat ihr gut, mit Anna zu reden und zu hören, dass sie der Freundin wichtig war.
»Ja, ja, ja«, knurrte Anna. »Mach mich nur fertig! Ich hab es schließlich nicht anders verdient.«
Jolin musste lachen. »Jetzt hör schon auf. Lass uns lieber über erfreulichere Dinge reden.«
»Über das Containersiedlungsprojekt vielleicht?«
»Findest du das erfreulich?«
»Na ja«, meinte Anna. »Wenn es zu einem guten Ergebnis für die Bewohner führt, natürlich schon. Außerdem freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Leo.«
»Ach ja?« Jetzt war Jolin wirklich erstaunt. »Es geht dir also gar nicht so sehr um mich?«
Anna stöhnte. »War ja klar, dass du das gleich wieder in den falschen Hals kriegst«, sagte sie. »Natürlich freue ich mich in erster Linie darauf, es mit dir zu machen. Aber Jol, das wirklich Feine daran ist, dass wir damit auch an Leo ein gutes Werk tun können.«
»Wie das?«, fragte Jolin noch erstaunter, mal abgesehen davon, dass sie sich alles andere als sicher war, ob sie das überhaupt wollte.
»Na ja …« Anna druckste. »Es ist wegen Carina.«
»Sie hat doch nicht etwa Schluss gemacht?«, platzte Jolin heraus.
»Also, ich glaube nicht, dass sie im Moment überhaupt an so etwas denkt.«
»Ja klar, wie dumm von mir … Ist sie eigentlich noch immer in psychologischer Behandlung?«, tastete Jolin sich vorsichtig vor.
»Keine Ahnung«, erwiderte Anna. »Irgendwie fällt es mir schwer, mit Leo darüber zu reden. Er … er reagiert immer gleich so impulsiv, wenn man davon anfängt. Dabei will ich doch nur wissen, wie es Carina geht. Ich meine, sie findet doch jetzt kaum noch Anschluss an den Unterrichtsstoff.«
»Wahrscheinlich wäre es sowieso das Beste, wenn sie die Stufe wiederholt«, sagte Jolin. »Aber du hast mir immer noch keine richtige Antwort gegeben«, setzte sie ein wenig ungeduldig hinzu. Alles, was Carina und Leonhart betraf, interessierte sie natürlich brennend, und es bereitete ihr große Mühe, dieses Interesse nicht allzu deutlich zu zeigen.
Anna schien mit sich zu kämpfen.
»Okay, also … eigentlich habe ich Leo versprochen, es nicht gleich in der ganzen Welt zu verbreiten«, begann sie schließlich.
»Na hör mal – hallo!«, antwortete Jolin empört. »Hab ich jemals irgendjemandes Intimitäten über den Globus verteilt?«
»Was? Nein! Tut mir leid«, sagte Anna zerknirscht. »Ich weiß ja, dass solche Dinge bei dir immer noch am besten aufgehoben sind. Aber es ist nun mal so, dass ich … Na ja, ich mag Leo und …«
»Du hast dich in ihn verliebt? – Ts!« Jolin warf ihren Kopf in den Nacken. »Als hätte ich es nicht geahnt!«
»Es ist nicht so, wie du
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