Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
Lachen hervor. »Anna, das glaube ich schon lange nicht mehr.« Sie hoffte inständig, dass sie es einigermaßen überzeugend rüberbrachte. »Außerdem habe ich noch nie gehört, dass der Biss eines Vampirs die Blutgerinnung blockiert. – Moment mal. Hat Carina überhaupt eine Bisswunde?«
»Keine Ahnung, Jol, echt nicht.«
Jolin ließ langsam einen Schwall Luft entweichen. Ihr Herz flatterte noch, aber ihr Puls beruhigte sich allmählich wieder. »Dann sollten wir mit diesen irrsinnigen Spekulationen aufhören, bis wir es genau wissen«, sagte sie.
Anna seufzte.
»Vielleicht bekommen wir ja auch aus Leo noch ein wenig mehr heraus«, sagte Jolin.
»Es interessiert dich also schon?«
»Na ja, es wäre eine ziemlich aufregende Sache, oder?« Jolin bemühte sich darum, locker zu klingen, ihrer Stimme sogar etwas von Klarisses typischem Ist-es-nicht-absolut-sensationell?-Unterton zu verleihen. »Ich meine, wenn man mal außer Acht lässt, dass es Carina ziemlich beschissen geht«, fügte sie hastig hinzu, »… gehen muss , wenn sie ständig in der Angst lebt, an einem aufgekratzten Mückenstich zu krepieren.«
»Jol, das ist nicht witzig«, sagte Anna.
»Oh, ich meine das vollkommen ernst.«
»Okay … Lass uns von etwas anderem reden.«
»Über unser Projekt?«, schlug jetzt Jolin vor.
»Gute Idee.«
Und obwohl Jolins Gedanken ständig abschweiften und sie ihr gesamtes Hab und Gut darauf verwettet hätte, dass es Anna nicht anders ging, brachten sie tatsächlich so etwas wie eine Grundplanung zustande. Nun musste Leonhart es nur noch absegnen, und sie konnten starten.
Eigentlich hatte Klarisse sich fest vorgenommen, sich keine Mühe zu geben. Sie wollte aussehen wie in der Schule, ja nicht einmal extra duschen hatte sie auf dem Plan gehabt. Und dann stand sie am Sonntagabend um kurz nach sieben doch eingehüllt in ihren aktuellen Lieblingsduft aus orientalischen Blumen und den aufreizendsten Klamotten, die ihr Kleiderschrank derzeit hergab, vor dem Spiegel.
Ihre Haare waren lässig zerzaust, die Augen hatte sie so geschminkt, dass sie einer Raubkatze glichen, und ihre vollen roten Lippen glänzten dank des neuen kussfesten Gloss ausnehmend verführerisch.
Besonders stolz aber war Klarisse auf ihr schönes Dekolletee, das in der schwarzen Spitzenkorsage ungemein gut zur Geltung kam. Der Hauch von einem Voileshirt, das sie darübergezogen hatte, tat dem Ganzen keinen Abbruch, im Gegenteil, es machte die Sache nur noch spannender. In der Hoffnung, dass der Tod sie in ein romantisches Restaurant ausführen würde, trug Klarisse zwischen dem Saum der Hotpants aus violettem Lack und den schwarzen Overknee-Stiefeln nichts als ihre nackte Haut.
Nur um ihrer Mutter einen Gefallen zu tun, schlüpfte sie vor dem Verlassen des Hauses in ihre Jeansjacke.
Natürlich war sie viel zu früh dran, als sie sich betont lässig am Rand des Lichtkegels, den die Außenlampe auf den Plattenweg warf, gegen die Hauswand lehnte. Strategisch gesehen war es ziemlich unklug, andererseits demonstrierte sie so schließlich auch ihren Mut.
Mut! Klarisse legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und grinste in sich hinein. Nein, Mut hatte sie bisher noch bei keinem Date gebraucht. Ihren ersten Kuss hatte sie sich selbst im zarten Alter von elf Jahren verordnet und die Pille hatte sie sich gleich einen Tag nach ihrem vierzehnten Geburtstag von der Gynäkologin ihrer Mutter verschreiben lassen. Tatsächlich hatte es nicht lange gedauert, bis sie ihr erstes Opfer fand. Es war der hübsche blonde Moritz aus dem Jugendclub gewesen. Klarisse hatte den damals schon Siebzehnjährigen mit nach Hause genommen, ihm sicherheitshalber ein Kondom in die Hand gedrückt und gehofft, eine Menge von ihm zu lernen.
Sie war immer offen für alles gewesen und hatte innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre bestimmt schon mehr ausprobiert, als die Vorstellungskraft ihrer Eltern zuließ. Nein, Sex, in welcher Form auch immer, war für Klarisse nun wirklich kein Thema. – Liebe allerdings schon.
Liebe war das, wonach sie sich sehnte, etwas, das immer nur anderen vergönnt war und ihr, nachdem Rouben sie so demonstrativ hatte abblitzen lassen, endgültig und absolut unerreichbar erschien. Rouben, dem Ersten und Einzigen, dem es bisher gelungen war, ihren Verführungskünsten zu widerstehen, der neben dem Verlangen, ihn zu besitzen und zu beherrschen, noch ein anderes Gefühl in ihr entfacht hatte, nämlich den Wunsch nach etwas ewig
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