Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
bestürzt an. »Aber ich liebe dich«, sagte er. »Ich habe dich immer geliebt, und ich werde es bis in alle Ewigkeit tun.«
Jolin starrte ihn an. Seine Augen waren dunkel, allerdings auf eine andere Weise als früher. Nicht warm und sanft, sondern kalt. Nicht sehnsüchtig, sondern abweisend. Die Schatten darunter schienen seit der vergangenen Woche noch tiefer zu liegen, wie auch das schmale Gesicht noch blasser geworden war.
»Das Problem ist nur, dass ich davon überhaupt nichts mehr merke«, sagte sie leise.
»Das tut mir leid, Jolin«, wisperte Rouben. »Wirklich, aber bitte glaub mir, im Augenblick geht es nicht anders.«
Sie presste die Lippen zusammen, damit sie nicht mehr so zitterten. Wieder und wieder schüttelte sie den Kopf. »Und wie lange wird es dauern?«, fragte sie. »Wird es vorbei sein, wenn das Haus fertig ist? Oder ist die Wahrheit vielleicht eine ganz andere?«
Das erschrockene Flackern in seinem Blick entging ihr nicht. Volltreffer!, dachte Jolin. Augenblicklich wurde es eiskalt in ihrer Brust. »Wo warst du letzte Nacht?«, fragte sie rau.
»Nirgends …« Rouben hob abwehrend die Hände.
»Warum verteidigst du dich dann?«
Sofort nahm Rouben seine Hände wieder herunter. »Du verstehst das völlig falsch«, sagte er. »Ich war wirklich nirgendwo, außer in meinem Haus.«
»Aber ich habe geträumt …«
Jolin biss sich auf die Lippe. Sie hatte ihm angesehen, dass er log. Aber alles Gerede hatte ja ohnehin keinen Sinn. Rouben würde ihr nicht die Wahrheit sagen. Und das empfand sie beinahe schon wieder als tröstlich. Wenn er sein nächtliches Date verheimlichen wollte, konnte das – hoffentlich! – nur bedeuten, dass ihm immer noch etwas an ihr lag.
»Was hast du geträumt?«
»Ach, nichts«, sagte Jolin. »Komm, lass uns reingehen. Mir geht es schon wieder viel besser.«
Sie rang sich ein Lächeln ab, öffnete die Tür zur Pausenhalle und ließ ihn einfach stehen.
Nach dem Matheunterricht in der sechsten Stunde warteten Jolin und Anna darauf, dass Leonhart mit dem Zusammenpacken seiner Sachen fertig wurde.
»Oh, Mann!« Anna ließ sich gegen den Türrahmen fallen und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. »Was hat er bloß? Er ist doch sonst nicht so bummelig.«
»Vielleicht hat er Angst vor dir«, meinte Jolin grinsend.
»Vor mir?« Anna schüttelte den Kopf. »Wieso vor mir?«
Jolin zuckte die Achseln. »Na ja, oder vor mir.«
Anna zog die Stirn kraus. »Versuch gar nicht erst, es mir zu erklären«, sagte sie dann. »Ich muss dermaßen dringend aufs Klo, ich kann mich auf nichts anderes mehr konzentrieren.«
»Dann geh doch, um Gottes willen!« Jolin sah zu Leo hinüber, der gerade einen ganzen Stapel Hefte aus seinem Rucksack holte. »Sonst passiert noch ein Unglück.«
»Okay«, sagte Anna. Sie schulterte ihre Tasche und eilte mit leicht zusammengekniffenen Beinen los.
Jolin trat ebenfalls auf den Gang hinaus und lehnte sich neben der Tür gegen die Wand. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Leo ihretwegen so trödelte. Wenn er merkte, dass sowohl sie als auch Anna verschwunden waren, kam er vielleicht endlich auf Trab.
»Bis morgen!«, rief Rebekka ihr zu, die als Erste mit Katrin und Melanie im Schlepptau an ihr vorbeilief.
Jolin nickte. »Irgendwas von Klarisse gehört?«, fragte sie Susanne. Den Blick fest auf ihr Handy gerichtet, folgte die ihren drei Freundinnen mit etwas Abstand.
»Nee.« Susanne schüttelte den Kopf. »Ich fahr jetzt bei ihr vorbei.«
»Gut. Ruf mich an, wenn was ist.«
Susanne lächelte. »Süß, dass du dir auch solche Gedanken machst. Mellie, Kat und Bekka scheinen zu denken, dass jemandem wie Klarisse nichts passieren kann.« Sie nickte Jolin noch einmal kurz zu. »Ich sag dir auf jeden Fall Bescheid.«
Jolin lächelte zurück. »Tschüs.«
Susanne legte einen Schritt zu, und als Nächstes erschien Rouben in der Tür. »Wartest du auf mich?«, fragte er mit einer Mischung aus Erstaunen und Missbilligung.
Jolin bemühte sich, locker zu bleiben. »Nur keine Panik«, sagte sie.
Rouben öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch im selben Moment trat Leonhart auf den Gang, der bei ihrem Anblick unwillkürlich zurückzuckte.
Rouben bedachte ihn mit einem finsteren Blick, dann wandte er sich wieder Jolin zu und sagte: »Also, dann bis morgen.« Sein Gesicht zeigte nicht die geringste Regung. Er drehte sich um, lief mit langen eleganten und erstaunlich schnellen Schritten davon und ließ Jolin mit einem tauben Gefühl im
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