Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
Klarisse?«
»Wohl kaum«, stöhnte Jolin. »Vielleicht war die Milch nicht in Ordnung, die ich zum Frühstück getrunken habe.«
Anna umschlang ihre Taille. »Okay, dann bring ich dich jetzt mal zum Klo.«
Jolin schüttelte den Kopf, wovon ihr allerdings noch kodderiger wurde. »Ich wäre lieber ein paar Minuten allein.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Anna energisch und schob sie auf die Pausenhalle zu.
Es war nicht besonders voll dort, die meisten Schüler schienen von der sanft wärmenden Vorfrühlingssonne nach draußen gelockt worden zu sein. Und deshalb konnte Jolin sich auch nicht erklären, wieso sie Rouben erst bemerkte, als er unmittelbar vor ihnen stand.
»Dich schickt der Himmel!«, rief Anna. »Ich glaube, es wäre Balsam für Jols geschundene Seele, wenn du dich ein wenig um sie kümmerst.«
»Klar«, sagte Rouben. »Kein Problem.«
Jolin wollte Anna noch einen sanften Fußtritt verpassen, bevor diese sie freigab, aber ihr fehlte die Kraft. Sie bekam einfach ihr Bein nicht hoch, sondern fiel Rouben buchstäblich in die Arme. Sein Reflex, sie aufzufangen, kam verspätet. Jolin musste sich an seiner Jacke festkrallen, um zu verhindern, dass sie vor ihm auf die Knie ging.
»Doch kein Engel«, meinte Anna kopfschüttelnd. »Mann! Wo bist du denn mit deinen Gedanken!«, blaffte sie ihn an.
»Schon gut«, sagte Jolin. »Schon gut.« Sie drückte die Knie durch und schob ihren Arm unter Roubens Achsel. »Ich wette, in seinem Kopf schwirrt es nur so von Zahlen und Berechnungen. Größen von Ziegeln, Latten, Gipsplatten und so weiter«, versuchte sie zu scherzen, die Freundin machte allerdings nicht den Eindruck, als würde sie es besonders erheiternd finden.
»Nur zu deiner Information: Ihr ist schlecht«, sagte sie zu Rouben. »Wahrscheinlich muss sie sich übergeben.«
»Ach so, und ich soll jetzt also zu diesem Zweck mit ihr auf die Jungstoilette gehen?«, erwiderte er. Möglicherweise sollte es ebenfalls scherzhaft klingen, Jolin hörte allerdings nur die Abweisung heraus. Und auch bei Anna kam die Bemerkung überhaupt nicht gut an. »Ich glaube, in diesem Fall wäre es für niemanden ein Problem, wenn du sie aufs Mädchenklo begleitest«, entgegnete sie bissig.
»Schon gut«, wiederholte Jolin. »Ich glaube, ich brauche nur ein bisschen frische Luft.« Hoffnungsvoll sah sie Rouben an. »Kommst du mit raus?«
»Klar, tut er das«, sagte Anna und sah die Freundin unter hochgezogenen Augenbrauen mahnend an.
Ich weiß selbst, dass ich mich wie ein Kaninchen auf Liebesentzug benehme, dachte Jolin und erwiderte den Blick entsprechend.
»Na, dann komm«, sagte Rouben. Beinahe schüchtern legte er seinen Arm um Jolins Schultern und zog sie sanft von Anna weg. »Hast du’s ihr erzählt?«, fragte er, als sie außer Hörweite waren.
»Was? Dass du früher ein Vampir warst und zurzeit noch unter Umstellungsschwierigkeiten leidest?«
»Jol, bitte. Das ist nicht witzig«, stöhnte Rouben.
Er drückte die Tür auf und ließ sie zuerst hinaustreten. Jolin hatte das Gefühl, dass es ihm sehr gelegen kam, sie dafür loslassen zu müssen. Jedenfalls machte er danach keine Anstalten mehr, sie erneut zu berühren, sondern schien ganz im Gegenteil geradezu darauf bedacht zu sein, ihr nicht zu nahe zu kommen.
»Find ich auch«, sagte Jolin.
Rouben sah sie verständnislos an. »Wie oft soll ich es dir denn noch erklären …?«, begann er schließlich ziemlich ungehalten.
»Du brauchst es mir nicht zu erklären«, fuhr Jolin ihm dazwischen. »Ich habe es kapiert! Ich verstehe es nur nicht.«
Rouben öffnete in einer hilflosen Geste seine Arme.
»Das musst du mir erklären.«
»Das kann ich aber nicht!«, fauchte sie. »Es ist nämlich ein Gefühl, Rouben. Etwas, das man mit dem Verstand nicht begreift. Ich sehe nur, dass du dich immer merkwürdiger verhältst!«
»Das stimmt nicht, Jol«, sagte er sanft. Er berührte sie nun doch mit den Fingerspitzen am Jackenärmel, ließ seine Hand jedoch gleich wieder sinken.
»Doch, Rouben, es stimmt! Innerhalb weniger Tage ist zwischen uns alles anders geworden. Beinahe ist es so, als ob wir nie zusammen gewesen wären.« Es kostete Jolin eine unglaubliche Anstrengung, sich zusammenzureißen. Die Übelkeit war wie auf Knopfdruck verschwunden, jetzt spürte sie nur noch Wut und Verzweiflung. Ihr war nach Losheulen zumute, nach Rumschreien oder Umsichschlagen. »… so, als ob wir uns nie geliebt hätten«, brach es aus ihr hervor.
Rouben sah sie
Weitere Kostenlose Bücher