getötet hättest?
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from: r. v.
to:
[email protected] subject:re: danke, mein engel
jetzt übertreibst du aber! ich weiß, dass ich gefährlich bin, aber ich respektiere dich viel zu sehr, als dass ich deinen willen brechen würde.
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from: klarisse
to: r. v. (
[email protected])
subject:re: danke, mein engel
ach ja, und den kennst du, meinen willen?
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from: r. v.
to:
[email protected] subject:re: danke, mein engel
wir mögen zwar aus verschiedenen welten kommen, aber im grunde sind wir aus dem gleichen holz geschnitzt. ich zumindest weiß, was dein innigster wunsch ist, und ich bin mir ganz sicher, du wirst schon sehr bald dahinterkommen, wonach ich mich in wahrheit sehne. das schicksal hat uns füreinander bestimmt, klarisse, davor kannst du nicht weglaufen. denn wir sind unabdingbar bis über den tod hinaus miteinander verbunden.
7
Inzwischen kann ich den Unterschied zwischen Jolin und mir ganz deutlich spüren. Ihre Wärme füllt den ganzen Wagen aus und macht mir nur allzu deutlich klar, dass ich niemals so sein werde wie sie.
Diese Erkenntnis ist von derselben Kälte, die auch das Herz meines Bruders umgibt, er scheint sehr genau zu wissen, was er mir antut. Meine Selbstbeherrschung schwindet von Tag zu Tag. Mittlerweile kann ich es kaum noch ertragen, Jolin anschauen zu müssen, ohne sie berühren zu dürfen. Meine Sehnsucht nach ihr ist grenzenlos und unstillbar. Und mit jedem Tropfen Blut, den Vincent mir stiehlt, mit jedem Quantum Gift, das meine gerade erst erwachte Seele tötet, tötet er auch einen Teil von Jolins.
Heute war ich kurz davor, ihr alles zu sagen und sie mit mir fortzunehmen, irgendwohin, für die wenige Zeit, die uns noch bleibt.
Aber das würde Vincent niemals zulassen. Gerade jetzt, da der Mond wieder zunimmt, ist er unbeherrschter denn je.
Und so bleibe ich im Wagen sitzen und sehe, wie Jolin im Haus verschwindet, die Tür hinter ihr ins Schloss fällt und das Licht im Treppenhaus anspringt. Ich spüre, wie ihr mit jeder Stufe die Kraft schwindet, und ich schwöre hoch und heilig, dass ich sie – solange ich noch irgendwie dazu in der Lage bin – keine Nacht mehr unbewacht lassen werde.
Jolin hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, was sie für Ramalia empfand. Dankbarkeit, Freundschaft oder sogar Zuneigung? Sie konnte es nicht sagen. Die wenigen persönlichen Begegnungen, die sie mit Roubens Mutter gehabt hatte, gehörten ganz ohne Zweifel zu den außergewöhnlichsten, unheimlichsten und bedeutsamsten, aber auch berührendsten ihres Lebens. Die Risiken, die Ramalia für ihre Liebe zu Harro Greims, für seinen Schutz und für Roubens Zukunft auf sich genommen hatte, waren erheblich gewesen, ganz sicher konnte man hier von absoluter Selbstlosigkeit sprechen. Und trotzdem. Die Art und Weise, wie sie ihre Handlungen geplant, und die Kompromisslosigkeit, mit der sie sie anschließend ausgeführt hatte, gaben dem Ganzen auch etwas Kaltes, Berechnendes.
Ramalia hatte ihre Macht immer zu gebrauchen gewusst, und daran schien sich auch nach ihrem physischen Tod nichts geändert zu haben. Ihr Geist, oder wie immer man das nennen wollte, was von ihr übriggeblieben war, wachte weiterhin über Roubens Entwicklung und hielt mit Entschlossenheit alles von ihm fern, was ihm schadete.
Und im Moment war ganz offensichtlich sie das, Jolin.
Inzwischen war sie im vierten Stock angekommen. Sie hatte sich die Treppen hinaufgearbeitet, als ob es darum ginge, die letzten hundert Meter des Mount Everest zu erklimmen. Mit letzter Kraft schleppte sie sich zur Tür. Das Deckenlicht ging aus, ehe sie den richtigen Schlüssel aus dem Bund gezogen hatte.
Zitternd lehnte Jolin sich mit dem Rücken gegen die Wand und ließ den Tränen, gegen die sie schon so lange so verbissen angekämpft hatte, freien Lauf. Langsam rutschte sie an dem rauen Putz entlang bis auf den Boden hinunter, zog die Beine an den Körper und presste die Stirn leise schluchzend auf ihre Knie.
Eine ganze Weile saß sie da, einen brennenden Schmerz im Herzen, und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und zu verstehen, was in und mit Rouben vorging. Innerhalb der letzten Tage hatte er sich genauso stark verändert wie zwei Monate zuvor nach den Ereignissen auf der Burg.
Damals war aus Rouben, dem Zwielicht, Rouben, der Mensch, geworden, und soweit Jolin sich zurückerinnerte, hatte er zu diesem Zeitpunkt noch keine gravierenden Anpassungsschwierigkeiten gehabt. Glaubte sie ihm –