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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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freizubekommen, lenke ich den Alfa zum östlichen Stadtrand hinaus. Ich schleiche zwischen den Containern umher, denke an die Zeit, in der ich Jolin zum ersten Mal sah, und versuche, mich an die Gefühle zu erinnern, die ich als Zwielicht für sie hegte. Irgendwie hoffe ich, dass es mich tröstet, doch leider ist es nicht annähernd mit dem zu vergleichen, was ich in meinem jetzigen Zustand für sie empfinde – wenn man diese brennende Gier überhaupt noch als Empfindung bezeichnen kann.
    Ohne es bewusst darauf angelegt zu haben, finde ich mich plötzlich vor dem buntbemalten Container meines Vaters wieder. Ich starre ihn an wie einen Feind, und eine unbändige Wut, heiß und alles verzehrend, kocht in mir hoch.
    »Ich hasse dich, Harro Greims!«, höre ich mich zischen. »Es ist alles deine Schuld! Wärst du nicht gewesen, hätte ich nicht geboren werden können, und Jolin wäre niemals einer solchen Gefahr ausgesetzt gewesen.«
    Die Worte befriedigen mich, doch gleichzeitig spüre ich einen tiefen Ekel vor mir selbst. Und dann passiert es – ich bin völlig außerstande, etwas dagegen zu tun: Die Hitze in meinem Rumpf verkocht innerhalb von Sekundenbruchteilen, und plötzlich durchzieht eine eisige Kälte meinen Körper, besetzt meine Muskeln und frisst sich in jede einzelne meiner Zellen. Der letzte Atemzug gefriert in meinen Lungen, mein Herz setzt mitten im Schlag aus, und bis auf diesen überwältigenden metallischen Duft, der sich zwischen der Stirnhöhle und meiner Kehle einnistet wie ein Kuckucksjunges, höre ich auf zu sein.
    Ich sehe, wie meine Hand nach der Klinke greift, die Tür wölbt sich mir laut krachend entgegen und öffnet sich dann mit einem Geräusch, das an einen schmatzenden Schrei erinnert.
    »He, was soll das? Was machen Sie da?«, brüllt mir eine Stimme aus der Dunkelheit des Containers entgegen. Ich erkenne die Konturen einer Kommode und eines Tisches, an dem ein Stuhl und ein kleiner runder Hocker stehen. Der metallische Duft dringt nun tief in meinen Magen hinunter und bezwingt den letzten Widerstand in meinem Gehirn. Blindlings greife ich in die Richtung, aus der mir die Wärme eines Menschen entgegenschlägt, fasse in etwas Wollenes und ziehe es mit einem Ruck zu mir heran.
    »Was fällt Ihnen ein?«, kreischt die Stimme. »Lassen Sie mich l…«
    »Halt die Klappe!«, zische ich, doch zu hören ist nur ein tiefes, langgezogenes Knurren.
    Ein schmales blasses Gesicht taucht in den Lichtkegel ein, den das Mondlicht in den Containereingang wirft, und ein dunkles Augenpaar funkelt mich zornig an.
    Mein Blick fällt auf einen nachlässig gezogenen Scheitel, an dem sich zu beiden Seiten ein Streifen hellen Haars entlangzieht, dahinter kringelt es sich schwarz und fettglänzend bis auf die Schultern der hageren Frau.
    Ich reiße sie dicht an mich heran, schiebe den Kragen des kratzigen grünen Mantels zurück und streiche mit dem Daumennagel über ihre Halsschlagader.
    In den metallischen Duft ihres Blutes mischt sich eine schwere, betörende Süße, die mich das unappetitliche Äußere der Frau vergessen lässt.
    Gierig reiße ich die Lippen auseinander und presse sie auf die weiße Haut. Ich will gerade meine Zähne hineinschlagen, da spüre ich Jolin. Ich spüre ihre kraftlosen kleinen Hände in meinen, und augenblicklich ist das überwältigende Gefühl von vor Wochen wieder da, als ich vor ihr kniete und wir zum ersten Mal unsere Handflächen aneinanderschmiegten.
    Ich reiße den Kopf hoch und stoße die Frau von mir weg ins Innere des Containers zurück. Sie schreit auf, fällt gegen den Tisch und greift sich an den Hals. Ich sehe das Entsetzen in ihren Augen und die Angst, die sie vor mir hat. Ein rasender Schmerz bohrt sich in mein Herz, ich jaule auf und haste zu meinem Wagen zurück, als wäre ein Dämon hinter mir her.
    Es war das Gefühl schneidender Kälte auf ihrem Brustbein, das Jolin aus dem Tiefschlaf riss.
    »Schon gut«, hörte sie Paulas Stimme murmeln. »Alles ist gut. Du hast nur geträumt.«
    »Aber … Was? … Nein! Nein!« Stammelnd versuchte Jolin sich aufzusetzen, doch ihre Mutter drückte sie sofort in ihr Kissen zurück.
    »Werd erst mal richtig wach«, flüsterte sie. »Dann reden wir über alles.«
    »Aber ich habe nicht geträumt«, protestierte Jolin. »Ich habe doch gar nichts gesehen. Es war bloß ein Gefühl …« Erst jetzt registrierte sie, dass Paula neben ihr auf dem Bett lag, einen Arm um ihren Nacken geschlungen hatte und mit einem weichen

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