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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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in die Kutsche und nahm darin Platz. Er sah mir in die Augen, während die Tür geschlossen wurde und die Kutsche sich in Bewegung setzte, und er wandte den Blick nicht ab, bis die Kutsche schon ein ganzes Stück von der Treppe entfernt war.
    Die Kutsche hatte bereits gewendet, bevor mir bewusst wurde, dass ich zum Abschied weder einen Knicks gemacht noch ihm eine gute Reise gewünscht hatte. Meine Hand prickelte immer noch an der Stelle, an der er sie geküsst hatte.
    Erst lange nach dem Abendessen wurde ich wieder in Lady Janes Gemächer gerufen. Ich war während der Ereignisse des Tages nicht gebraucht worden, sodass ich viele Stunden Zeit gehabt hatte, darüber nachzusinnen, wieso ich mich so stark zu Nicholas Staverton hingezogen fühlte. Nachdem ich mich um Janes Garderobe gekümmert hatte, war fast nichts mehr zu tun gewesen. Ich hatte nur noch ein Stückchen zerrissener Spitze an Lady Katherines Kleid flicken müssen und hatte dann Janes jüngerer Schwester Mary – die nur am Nachmittag in Erscheinung getreten war – ein sonnengelbes Kleid angezogen, in dem das kleine Mädchen aussah wie eine hüpfende Narzisse. Danach wurde ich von der Dienerschaft der Herzogin in die Garderobe entlassen, um den Nachmittag dort nach eigenem Gutdünken zu verbringen.
    Das tat ich, indem ich über die seltsamen Gefühle nachdachte, die Mr Staverton in mir geweckt hatte. Es ärgerte mich ein wenig, dass er durch Janes freundliche, aber sehr offene Rede schon so viel über mich erfahren hatte, ich aber im Gegenzug nur sehr wenig über ihn wusste. Und seine Bewunderung für mich war beunruhigend. Der junge Mann, nach dem ich damals vor vielen Jahren geschmachtet hatte, hatte nicht einmal von meinen Gefühlen gewusst. Ich merkte, wie traurig ich darüber war, dass Mr Staverton so schnell wieder hatte abreisen müssen, obwohl seine Anwesenheit im Haus auch beunruhigend gewesen war – wenn auch für niemanden außer mir. Ich vermisste seine Anwesenheit bereits in dem Augenblick, als er Bradgate verlassen hatte.
    Ich sah den Herzog von Somerset, seine Frau und seinen Sohn Edward nur vom Fenster im dritten Stockwerk aus, als die beiden Familien im Rosengarten ein Nachmittagseis zu sich nahmen. Von meinem eingeschränkten Blickwinkel aus schien es mir ganz so, als verbrächten die beiden Familien einen wunderschönen Sommernachmittag miteinander, auch wenn die beiden Herzöge überaus wachsam und nachdenklich wirkten. Keiner von ihnen lachte oder lächelte auch nur.
    Der junge Edward und Lady Jane entfernten sich zu einer Bank im Garten, allerdings so, dass sie dabei von ihren Eltern sowie von mehreren Bediensteten gesehen werden konnten. Irgendwann sah ich, dass Edward Jane etwas gab, aber dies geschah verstohlen und sollte offenbar weder von mir noch von sonst jemandem bemerkt werden. Ich wandte deshalb den Blick ab, bis ich aus dem Augenwinkel bemerkte, dass die beiden wieder zu den anderen gestoßen waren, die sich unter einem gestreiften Baldachin aufhielten, wo ein Trio von Musikern leichtfüßige Melodien spielte.
    Als schließlich nach mir gerufen wurde, traf ich Jane auf einem Polster auf dem Fenstersims ihres Schlafzimmers an, von wo aus sie in den sternenübersäten nachtblauen Himmel schaute. Sie hatte die anderen Bediensteten bereits weggeschickt, und nicht einmal Mrs Ellen war noch da. Wir waren allein.
    „Lucy!“, rief sie, als ich den Raum betrat.
    Ich knickste und ging zu ihr hin. Sie klopfte auf das Kissen neben sich, und instinktiv drehte ich mich um, um nachzuschauen, ob vielleicht sonst noch jemand da war, der neben ihr hätte Platz nehmen sollen, obwohl wir allein im Raum waren.
    „Keine Sorge. Ich habe die anderen schon weggeschickt. Und Mrs Ellen ist gegangen, um mir etwas aus der Küche zu holen. Ich war die ganze Zeit so aufgeregt, dass ich erst jetzt etwas essen kann.“
    Ich nahm wortlos Platz, setzte mich aber so, dass ich rasch aufspringen konnte, falls die Tür aufging und Mrs Ellen hereinkam. Jane schien zufrieden, aber irgendwie auch unruhig. Ich wartete, dass sie zu erzählen begann.
    „Du hattest recht“, sagte sie leise.
    „Mylady?“
    „Edward ist ziemlich glücklich, dass unsere Eltern über einen Ehevertrag verhandeln!“ Ihr Lächeln wurde breiter, und sie schaute in die unendliche Abenddämmerung vor dem Fenster.
    „Ihr habt also mit ihm gesprochen?“
    „Oh ja, wir haben geredet!“
    „Dann ist es also offiziell? Ihr seid mit ihm verlobt?“ Ich konnte nicht anders, als mich zu ihr

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