Neun Tage Koenigin
entlassen würde, wenn Jane geheiratet hätte.
Die Herzogin hatte viele Schneiderinnen und Schneider in ihren Diensten, und ich glaube, sie hatte mich ohnehin nur deshalb behalten, weil Jane sie darum gebeten hatte.
Es gab also keinen Grund, davon auszugehen, dass Jane die Freiheit haben würde, mich anzustellen, wenn sie die Frau des jungen Grafen war. Seymour hatte sicher seine eigenen Bediensteten.
Obwohl Nicholas nachempfinden konnte, dass ich es als Verlust empfinden würde, aus dem Haushalt des Herzogs und der Herzogin auszuscheiden, schien er doch erleichtert darüber, dass ich mir offenbar auch eine Zukunft ohne Anstellung beim Herzog von Suffolk vorstellen konnte. Weil ich wusste, dass der Weg, der vor mir lag, ganz anders sein würde als der, welcher schon hinter mir lag, fing ich an, mich innerlich Stück für Stück von Jane zu lösen. Sie würde zu Seymour ziehen und ich wieder zurück nach Hause, nach Haversfield, und dann, so Gott wollte, nach Nicholas’ Abschluss zu ihm. Ich musste Lady Jane bei den Vorbereitungen auf ihr neues Leben als Edwards Frau helfen, so gut es ging, aber ich musste auch an meine eigenen Vorbereitungen denken.
Es sah alles danach aus, dass in einem Jahr alles anders sein würde.
Wir waren inzwischen schon seit fast einem Monat wieder in London, aber es hatte immer noch kein Besuch des jungen Edward Seymour stattgefunden. Jane bekam zwar immer noch Briefe von ihm, aber er sprach darin stets nur von einer fernen Zukunft, nie von einer aufregenden Gegenwart. Sein Vater schlug weiterhin eine politische Schlacht gegen John Dudley, der inzwischen Herzog von Northumberland war, und dessen zahlreiche Unterstützer. Die Probleme des älteren Seymour waren alles andere als behoben, denn er war ein zweites Mal verhaftet und im Tower gefangen gesetzt worden. Für Jane war es schwierig, auf den vielen Festlichkeiten und Veranstaltungen, zu denen ihre Eltern sie mitnahmen, eine heitere Haltung zu wahren, weil bei solchen Festlichkeiten oft auch John Dudley anwesend war.
Eines Abends wurde ich in Janes Zimmer gerufen, um ihr beim Ankleiden für eine Abendeinladung zu helfen. Die Herzogin hatte für den Anlass eine besonders elegante Robe ausgewählt – aus kapuzinerrotem Samt mit Ärmeln, die pfauenblau gefüttert waren, und einem eingewebten Kornblumenmuster in Gold. Die Innenseite des offenen Kragens und die Ärmelaufschläge hatten spanische Verzierungen. Ein zweiter Kragen aus weißem Batist war mit roter Seide bestickt. Jane warf einen Blick auf das Kleid und verkündete dann, sie wünsche, Schwarz zu tragen.
„Bitte, Mylady“, drängte ich. „Die Herzogin –“
„Prinzessin Elisabeth würde niemals ein so schamloses Kleidungsstück tragen.“ Sie starrte das Kleid, das ich ihr hinhielt, an, als ob es eine widerliche Schlange wäre.
„Aber Ihr werdet in dem Kleid wunderschön aussehen“, wandte ich ein.
Sie wendete sich jedoch von mir ab und sagte: „Ich will nicht schön aussehen.“
„Aber warum um alles in der Welt denn nicht?“, fragte ich.
Sie unterdrückte ein Schluchzen. „Ich will nicht schön sein.“
„Was quält Euch denn heute Abend so sehr, Mylady?“, wollte ich wissen.
Einen Moment lang sagte sie nichts, aber dann flüsterte sie: „Ich habe Angst.“
Ihr Blick lag wie gebannt auf dem Kleid in den grellen Farben.
„Aber wovor denn, Mylady?“
Doch darauf antwortete sie nicht.
Ich sagte nichts und betete um Weisheit. Ich wusste nicht, was ich ihr erwidern sollte, und war sehr dankbar, als sie sich einen Augenblick später dann doch wieder umdrehte und ihre Arme nach dem Mieder des Kleides ausstreckte. Dabei sah ich, dass sie Edwards Ring am Finger trug, aber die Steine waren nach innen zur Handfläche gedreht.
Eine halbe Stunde später war sie fertig angekleidet und trug das farbenfrohe Kleid. Ich trug ihre Schleppe auf dem Weg zu dem Boot, das sie auf der Themse zu einem Fest bringen sollte, bei dem, da war ich ganz sicher, Edward nicht zugegen sein würde.
Als sie gegen Mitternacht zurückkehrte, half ich ihr beim Ablegen der Robe, die sie nicht hatte tragen wollen. Auch Mrs Ellen war da, wuselte um Jane herum und fragte sie, wer denn der gutaussehende junge Lord gewesen sei, der den ganzen Abend versucht hätte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Jane zuckte nur mit den Schultern. „Das ist gleichgültig.“
„Ein gutaussehender junger Herr?“, fragte ich Mrs Ellen.
„Oh ja. Lady Katherine hat auf der Barke auf dem Heimweg
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