Neun Tage Koenigin
meine Wange. „Erzähl mir von ihm.“
Ich berichtete ihm, was ich über Nicholas wusste, wie wir uns kennengelernt hatten, von seiner freundlichen Art und seinem vornehmen Benehmen.
„Und welche Pläne hat Mr Staverton nach dem Studium, Lucy?“
Ich erzählte Papa, dass Nicholas vorhatte zu unterrichten, dass sein Onkel Direktor der King’s School in Worcester sei und dass er nach seinem Abschluss vielleicht dort anfangen könne.
„Und wo steht dieser junge Mann, was den Glauben angeht, mein Kind?“, fragte Papa weiter.
Seit sich Heinrich VIII. mit der katholischen Kirche überworfen hatte, war es gesetzlich verboten, die katholische Messe zu feiern. Es gab Menschen – zu ihnen gehörte auch die verbannte Prinzessin Maria –, die sich diesem Verbot widersetzten und heimlich nach Priestern suchten, um sich von ihnen Oblaten und Messwein segnen zu lassen. Das war sehr gefährlich.
Aber Nicholas verband nichts mit der katholischen Kirche, und zwar nicht nur, weil er sich an das Gesetz des Königs hielt. Mir war wichtig, dass Nicholas das, was er glaubte, wirklich aus Überzeugung glaubte und nicht nur, weil es
sicherer war oder es von der Mehrheit so geglaubt wurde. Und ich wusste, dass genau das auch meinem Vater wichtig war.
„Mr Staverton ist ein Anhänger des Glaubens Ihrer Majestät – und auch deines Glaubens, Papa.“
Mein Vater berührte mein Gesicht. „Würde es dir denn gefallen, wenn Mr Staverton dir den Hof machen würde? Würde es dich glücklich machen?“
Ich nickte und war selbst überrascht darüber, wie sehr.
„Dann richte Mr Staverton bitte aus, dass er mir schreiben darf“, sagte mein Vater. „Ich würde mich sehr freuen, wenn er mir schreiben würde.“
Im Nebenzimmer hörte ich, wie meine Mutter rief, das müsse gefeiert werden und dass sie einen Ingwerkuchen backen werde. Da erst wurde mir klar, wie sehr meine Eltern für meine Zukunft gebetet hatten. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes meines Vaters zu erwarten war, und sie hatten sich meinetwegen Sorgen gemacht. Meine Schwester Cecily war bereits verlobt und würde somit ebenfalls bald versorgt sein.
Meine Ankündigung – meine Bitte – war deshalb für meine Eltern eine echte Gebetserhörung. Ich schrieb Nicholas noch in derselben Stunde.
Es war gleichzeitig schwer und auch schön, Haversfield wieder zu verlassen und zu Lady Jane zurückzukehren. Ich betete, dass Gott das Leben meines Vaters noch so lange erhalten möge, bis ich verheiratet war.
In den Wochen nach dem Besuch von Edward Seymour und seiner Familie in Bradgate warteten sowohl Jane als auch ich sehnsüchtig auf die Postkutschen, die uns Nachrichten von den Männern brachten, denen unsere Zuneigung galt. An vielen Abenden fanden Jane und ich ein ruhiges Plätzchen, wo wir die Neuigkeiten aus den Briefen austauschten, die wir erhalten hatten. Und manchmal schrieben wir auch gleichzeitig zurück, Jane in ihrem Schlafzimmer und ich in meinem, und wenn ich dann morgens ihre Garderobe für den Tag bereitlegte, tauschten wir uns darüber aus, was wir geschrieben hatten.
Janes Eltern versuchten zwar nicht zu unterbinden, dass ihre Tochter so oft an Edward schrieb, aber sie ermutigten sie auch nicht. An manchen Tagen trug Jane den Ring, den Edward ihr geschenkt hatte, aber meist lag er in dem Schmuckkästchen auf ihrer Kommode. Weshalb sie ihn dann nicht trug, verriet sie mir nicht. An solchen Tagen war sie traurig und in sich gekehrt und verbrachte viele Stunden mit dem Übersetzen von Passagen aus dem Italienischen oder Arabischen, und das aus keinem anderen Grund –
so jedenfalls schien es mir –, als sich die Zeit zu vertreiben.
Als die Herzogin verkündete, dass die Familie an den Hof zurückkehren werde, hob sich Janes Stimmung. Wenn die Lords und Ladys wieder an den Hof zurückkehrten, dann würden es Edward Seymour und seine Familie ebenfalls tun. Ich packte sorgfältig Janes Garderobe, ganz so, wie die Herzogin es mir befohlen hatte, und an einem kühlen Herbstmorgen brachen wir endlich nach London auf.
Ich schrieb Nicholas, dass ich Jane inzwischen sehr lieb gewonnen hätte, dass sie aber wahrscheinlich im Laufe des nächsten Jahres heiraten werde und ich nicht wisse, ob ich weiter im Dienst des Herzogs bleiben wolle, wenn Jane nicht mehr da sei. Ich sei zwar auch gern mit ihrer Schwester Katherine zusammen, aber wir hätten keinerlei Gemeinsamkeiten. Es sei überdies sowieso wahrscheinlich, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher