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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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Pockenepidemie erfahren hätten. Was nicht von den Bergkieferkäfern verschlungen worden war, hatte der Mensch selbst zerstört.
    Leonard konzentrierte sich auf die Mission, seine Tochter sicher nach Grand Junction zu bringen und versuchte nicht weiter über den Verfall und die Trostlosigkeit nachzudenken, aber er fragte sich dennoch, wer wohl in den verbliebenen Häusern wohnte. Berühmte Regierungsmitglieder, oder Bürger, die gegenüber der Regierung Stehlen treu gewesen waren? Er verzog angewidert das Gesicht.
    „Alles in Ordnung, Dad?“
    „Ja, klar.“
    „Was ist los?“
    Er seufzte. „Du warst vorher noch nie auf dieser Straße gewesen, oder?“
    „Natürlich nicht! Darum hast du mir ja versprochen, mich zu meinem Geburtstag mitzunehmen.“
    „Es hat sich ziemlich viel verändert.“
    „Oh.“ Sie betrachtete den Hang, schien aber nicht weiter nachfragen zu wollen.
    Sie fuhren den steilen Berg hinunter und näherten sich der Ausfahrt zum Highway 6, obwohl alle Schilder mit Dachpappe verdeckt waren. Als sie den Fuß des Berges erreichten, wiesen mehrere Absperrungen darauf hin, dass der Highway 6, wie Leonard schon vermutet hatte, nicht zugänglich war. Die einzigen Richtungen, in die Reisende fahren konnten, waren das Westtor und Idaho Springs.
    „Wir sind bald da“, sagte Leonard.
    Natalia schnappte nach Luft, als sie sich dem Central City Parkway näherten, der Straße, die zu zwei von Colorados beliebtesten Spielerstädten führte. Ein weiterer Friedhof luxuriöser Fahrzeuge war den Berg entlang zu erkennen und verschwand in der Ferne aus dem Blickfeld. Das Schild über der Schnellstraße neigte sich leicht nach hinten, während die orange–gelbe Schrift mit Schmutz übersät und von Vernachlässigung gezeichnet war.
    Als sie in die Kurve bogen, wiesen mehrere gelb aufblinkende Lichter Leonard darauf hin, langsamer zu fahren. Er folgte der Aufforderung. Zwei runde Tunnel in etwa dreihundert Meter Entfernung schienen als Kontrollpunkt zu dienen. Der Tunnel auf der linken Seite war mit Bauschutt verbarrikadiert worden.
    Scheinbar sind ihnen die Autos ausgegangen.
    In der Nähe des anderen Tunnels stand ein Van auf dem Seitenstreifen und zwei VMIS–Mitarbeiter lehnten an einer Seite des Tunneleingangs. Als sie sahen, wie sich die Familie Tramer näherte, richteten sie sich auf, streckten beide ihr Kinn in die Höhe und stolzierten mit autoritärer Miene los.
    Leonard hielt etwa achtzehn Meter vor dem Tunneleingang an und fragte sich, wie lange es wohl hier dauern würde, die Erlaubnis zur Durchfahrt zu bekommen. Er sah auf seine Tankuhr. Der Zeiger befand sich schon im roten Bereich, aber der Wagen brummte immer noch pflichtbewusst. Die VMIS–Wärter gingen nicht auf Leonards Fenster zu, sondern starrten stattdessen das Nummernschild des Toyotas an. Der Wärter links tippte eine Nummer in seinen tragbaren Computer. Nachdem er die Daten auf seinem Bildschirm überprüft hatte, schwang er seinen Arm im Kreis und ging von der Straße. Sein Begleiter lief auf die rechte Spur. Leonard fuhr durch den Tunnel und war dankbar für die Schlichtheit dieses Verfahrens.
    Sie bogen in eine Kurve ab und ein friedlicher Fluss erschien auf der rechten Seite, gefolgt von einer Reihe brauner Gebäude. Es überraschte Leonard kaum mehr, dass die ersten paar Ausfahrten versperrt worden waren. Er drückte auf das Gaspedal und hoffte, dass der Wagen nicht plötzlich anfangen würde zu stottern und einfach stehen blieb.
    Als er sich der Stadt näherte, die er einst als Idaho Springs kannte, atmete Leonard entsetzt scharf ein. Natalia schien ziemlich begeistert von dem abwechslungsreichen Blick, nachdem sie vorher an so vielen verlassenen Häusern und verbarrikadierten Ausfahrten vorbeigekommen waren. Die rote Argo Gold Mine klammerte sich immer noch an der Bergseite fest, aber mehr als die Hälfte der Geschäfte und Restaurants auf der Hauptstraße waren mit Brettern zugenagelt. Dennoch verweilte Leonards Blick nur ein paar Sekunden auf der alten Hauptgeschäftsstraße. Über der historischen Stadt ragten eine Reihe hässlich grauer Gebäude auf, die den Stadtrand säumten. Obwohl es nicht im Bereich des Möglichen schien, sahen diese kastenartigen Konstruktionen sogar noch grauenhafter aus als die Sozialwohnungen in Denver. Die Gebäude ließen die Bergstadt winzig erscheinen. Sie gehörten hier nicht hin. Leonard nahm an, dass die abstoßenden Anlagen als Kasernen für die VMIS–Mitarbeiter und das Militärpersonal

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